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Michał Rudzínski (Willi Graf), Markus Gruber (Christoph Probst), Marian Müller (Hans Scholl), Thilo Andersson (Alexander Schmorell), Yvonne Prentki (Sophie Scholl), Harald Oeler (Akkordeon). Foto: H. Dietz Fotografie
Michał Rudzínski (Willi Graf), Markus Gruber (Christoph Probst), Marian Müller (Hans Scholl), Thilo Andersson (Alexander Schmorell), Yvonne Prentki (Sophie Scholl), Harald Oeler (Akkordeon). Foto: H. Dietz Fotografie
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Theater Hof zeigt Udo Zimmermanns erste Oper und würdigt den Widerstand der Weißen Rose

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Eine Neufassung der Erstfassung, was steckt wohl dahinter? Nach 40 Jahren kommt „Die weiße Rose“ wieder auf die Bühne, und zwar so wie noch nie.

Widerstand in Diktaturen kann Überlebenskampf sein. Oder auch nur eine Form der Selbstachtung. Für die Mitglieder der Münchner Gruppe Weiße Rose war es wohl auch eine Glaubenssache. Dem menschenverachtenden Regime von Adolf Hitler, seinen brutalen Vollstreckern und den vielen willfährigen Mitläufern musste Widerstand geboten werden, um den Menschen die Augen zu öffnen, welche Verbrechen da im Namen des deutschen Volkes begangen wurden.

Auch der zu DDR-Zeiten sozialisierte Komponist Udo Zimmermann sah das lebensgefährliche Engagement der jungen Leute als humanistische Herzensangelegenheit an, die es unbedingt zu würdigen galt. Seine erste und seine letzte Opernarbeit befasste sich mit diesem Sujet. Unter dem Titel „Die weiße Rose“ schuf er 1967 quasi die Abschlussarbeit eines Kompositionsstudiums an der Musikhochschule seiner Geburtsstadt Dresden. Die ist ein Jahr später für eine Schweriner Fassung und 1972 dann nochmals für eine Rundfunkaufnahme überarbeitet worden. Seitdem wurde das Stück kaum mehr gespielt, dessen Libretto von Ingo Zimmermann stammt, dem Bruder des Komponisten. Denn Udo Zimmermann schuf 1986 seine Kammeroper „Weiße Rose“ (ohne Artikel, Libretto Wolfgang Willaschek), die bis heute zu den meistgespielten Musiktheaterstücken des 20. Jahrhunderts zählt.

Am Theater Hof wurde nun – zum Ausklang eines Zyklus’ „Wider das Vergessen“ über die Thematik von Opfer- und Täterschaft – die Erstfassung „Die weiße Rose“ in einer Neufassung rekonstruiert. Darin sind die nur lückenhaft vorliegenden Materialien der ersten drei ursprünglich für großes Orchester geschriebenen Versionen zusammengeführt worden, um die Musik auf dieser Grundlage von lediglich drei Instrumentalisten aufführen zu lassen. Die gemeinsam von Regisseur Lothar Krause und dem Musiker Arno Waschk erarbeitete Variante ist somit völlig neu und ursprünglich zugleich.

Auf der Studiobühne des Hauses wirken David Preil (Klavier und Musikalische Leitung), Harald Oeler (Akkordeon) und Stephan Salewski (Schlagwerk) mit und zaubern den rhythmusbetonten Boden für dieses Stück. In unmittelbarer Publikumsnähe agieren die neun Sänger-Darsteller auf einem schmalen Steg, der zusehends mit Flugblättern übersät ist, um deutlich zu machen, für welches „Vergehen“ die Geschwister Sophie und Hans Scholl sowie weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose am 22. Februar 1943 hingerichtet worden sind. Beim Lesen der ausschnitthaft auch im Bühnenhintergrund zu lesenden Texte drängt es sich nachgerade auf, diesen Wortlaut unverändert gen Kreml zu senden. Sinngemäß: Es gibt keine gerechte Strafe für all die Verbrechen des Führers.

Ein szenisches Requiem

„Die weiße Rose“ von Ingo und Udo Zimmermann konzentriert sich nicht allein auf das Schicksal der Geschwister Scholl, sondern zeigt deren Einbindung in die studentische Gruppe sowie mit mehreren Rückblenden auch die Ursachen für das Engagement der Weißen Rose. Erst sind es Kriegserlebnisse am Rande eines Vernichtungslagers und die Begegnung Hans Scholls mit einer dorthin deportierten Jüdin, dann das von Sophie Scholl beobachtete „Aussondern lebensunwerter“ Kinder in einer Münchner Klinik – mehr und mehr wachsen die Erkenntnisse über die unfassbare Bestialität des Naziregimes und damit der Antrieb, dem gemeinsam etwas entgegensetzen zu müssen: „Fürs Leben das Leben gewagt!“

In knappen Szenen, die mitunter in recht propagandistischem Schwarzweiß gezeichnet sind, werden Schicksale und Abgründe gezeichnet, das Aufeinandertreffen der Studierenden mit der brutalen Macht und die Unausweichlichkeit des eigenen Untergangs. Während von Nazi-Bestien nichts anderes zu erwarten gewesen wäre, überrascht die Szene mit einem Priester, der Denunziation verlangt, um „die Vollstreckung aufzuschieben“; ausgerechnet ein Kirchenmann als diabolischer Versucher!

Das instrumentale Triumvirat sorgt in diesem bekenntnishaft szenischen Requiem für sphärische Grundierung, wobei insbesondere der perkussive Einsatz sowohl von Klavier und Akkordeon als auch von Vibraphon und Pauken wirkungsvoll zum Ausdruck kommt. Die jungen Sängerinnen und Sänger sind dieser Rhythmik verhaftet, wechseln zwischen Sprechgesang, Vokalisen und kurzer, aber ausdrucksstarker Melodik. Unbedingt hervorhebenswert sind natürlich Yvonne Prentki als Sophie und Marian Müller als Hans Scholl, die ihren Bedrohungen ebenso Ausdruck verliehen wie ihrer unabdingbaren Haltung.

Die Gesamtleistung von Markus Gruber, dem ein Spagat zwischen Rose-Mitglied Christoph Probst und SS-Wachmann gelingt, von Michael Rudzínski, der als Student Willi Graf, SS-Arzt und doppelzüngig geistlichem Beistand agiert, sowie von Thilo Andersson als Alexander Schmorell, Hans-Peter Pollner als Professor Kurt Huber, Christiane Seidel als Oberarzt sowie von Alina Behning als furchtsame Schwester Anett und nicht zuletzt von Stefanie Rhaue, die neben ihrem Part als Jüdische Frau mit ihren Vokalisen für zusätzliche Dimensionalität sorgt, hat das ergriffene Publikum  durchweg überzeugt.

Die stringente Regie von Lothar Krause ließ das Geschehen geradezu unter die Haut gehen, Annette Mahlendorfs Ausstattung sorgte für ein adäquat stimmungsvolles Ambiente. Vor allem aber war es wohl Udo Zimmermanns bereits in diesem Frühwerk sehr auf Wirkung setzende Musik, die für Momente bereits die wesentlich erfolgreichere Fassung von 1986 mit anklingen ließ, die unbedingt für dieses Hofer Experiment gesprochen hat.

  • Termine: 4., 11. März, 15., 18. April 2023.
  • Im Foyer präsentiert das Theater Hof hierzu die Ausstellung „Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler, München 1942/43“

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