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Der fliegende Holländer am Theater Altenburg Gera. Foto: Ronny Ristok

Der fliegende Holländer am Theater Altenburg Gera. Foto: Ronny Ristok

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Traumwelt – In Gera hat sich Achim Freyer Wagners „Fliegenden Holländer“ vorgenommen

Vorspann / Teaser

Wenn Achim Freyer den Programmzettel einer Operninszenierung als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner und wer weiß was noch anführt, dann stellt sich schon die einst vielzitierte Frage „Wer wen?“. Natürlich nicht als Machtfrage. Aber schon als eine, die danach fragt, wie und ob überhaupt das Werk seinen Interpreten ergreift. Oder, ob dieser Interpret das Werk einfach seinem eigenen ästhetischen Universum einverleibt und damit seinen Schabernack treibt. Das setzt natürlich voraus, der Herr (oder auch die Frau, aber ist gerade keine als Ergänzung präsent) über so ein Universum zu sein. 

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Wie etwa Robert Wilson, oder als spätberufener Nachwuchs auch Herbert Fritsch. Oder eben Achim Freyer. Mit seinen knackigen 90 Jahren ist er der Doyen der überschaubaren Vertreter dieser Spezies von Theaterzauberern. Jetzt hat er nach seinem „Don Carlos“ in Meiningen gleich noch einmal zugeschlagen und sich Wagners „Fliegenden Holländer“ in Gera vorgenommen. Bei dem nun lässt sich Eingangsfrage mit einem „sowohl als auch“ beantworten. Natürlich ist die Marke bzw. der Maler Achim Freyer auf Anhieb zu erkennen. In den sofort als solche zu erkennenden Kulissen. Der Felsen rechts im Bild, von dem sich am Ende eine (auch als solche sofort zu erkennende) Senta Puppe in die Tiefe stürzen wird. Am Fuße des Felsens im Großformat ein Rahmen für das berühmte Bild, ohne das das Stück nicht auskommt. Hier steht der Holländer (oder dessen Projektion in Sentas Sehnsuchtsfantasie) gleich überlebensgroß hinter dem Vorhang im Rahmen. In die Mitte der Bühne (und wieder weg von dort) gelangt er bei Bedarf hinter einer beweglichen Silhouette. Er ist mehr ein überlebensgroßes singendes Standbild. In dessen Mantel sich Senta sogar verbergen kann.

Links im Bild (das Bühnenportal ist mit Neonleuchten eingerahmt) findet sich die Kulissenversion einer Baumhausskizze im Hochstandlook. Sentas regulärer Bräutigam im Stück, Erik, ist ja schließlich Jäger. Diesmal jammert er nicht nur dauernd rum, diesmal er ein notorischer Türenknaller mit Trachtenhut. So viel dazwischen knallen durfte vermutlich noch nie jemand in einem „Fliegenden Holländer“. Man merkt schnell, dass das panische Rein-Raus oder das hektische Hin-und-Her eines stummen Doppelgängers an der Rampe zu Eriks Verlierernatur gehören.

Senta selbst ist die verträumte Unschuld in Weiß. Ihr Vater Daland ein geschäftstüchtiger, beweglicher Filou mit Hang zum eleganten Borsalino-Hut und zur Albernheit. Er ist halt einer, der „Port“ auf „fort“ reimt und sich „von hinnen“ stiehlt.

Harry Kupfer ließ einst in seiner legendären Bayreuth-Inszenierung die ganze Oper von Senta träumen. Auch bei Freyer wird jetzt geträumt, was das Zeug hält und Musik und die dräuende Szene hergeben. Erik etwa erzählt nicht nur explizit und musikalisch eindrucksvoll ausgemalt von seiner Traumvision. Er wird sogar ihr Opfer. Erik erschießt sein Alter Ego, sprich sich selbst. Freyer bestätigt freilich den Verdacht, dass alles ein Traum im Traum war, noch auf andere Weise. Zu den letzten Tönen steht nämlich Frau Mary allein vorm dunklen Firmament und lässt ihre Peitsche kreisen. Kann gut sein, dass diesmal die ganze Geschichte nicht Sentas Traum war, sondern der von Frau Mary. Erschossen hat Frau Mary den Holländer ja schon öfter mal. Auch in der aktuellen Bayreuther Version ist das so. Aber die ganze Geschichte geträumt und mit der knallenden Peitsche in der Hand das ganze Personal durch einen gruselig schönen Alptraum getrieben, das hat sie wohl noch nie. Ob nun bewusst erdacht oder geträumt: es ist schon eine aparte Pointe, die Freyer hier bietet. Damit lässt sich Freyer dann doch ganz ernsthaft (oder traumwandlerisch sicher) auf das Werk ein.

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Der fliegende Holländer am Theater Altenburg Gera. Foto: Ronny Ristok

Der fliegende Holländer am Theater Altenburg Gera. Foto: Ronny Ristok

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Und er hat mit der auch in der Maske charismatischen Eva-Maria Wurlitzer dafür genau die richtige Mary. Wenn deren Stimme aus der Tiefe heraufdringt oder sie über die Bühne schreitet und einen Fuß vor den anderen setzt, ist das ein Kabinettstück teuflischer Magie. Auch sonst steht ein solide ausgewogenes Ensemble zur Verfügung. Anne Preuß ist eine traumwandlerisch aufleuchtende Senta, die etwas zurückgenommen ohne Überdruck auskommt. Alejandro Lárraga Schleske ist ein so wohltimbrierter wie wahrhaft verzweifelnder Holländer. Philipp Mayer der spielerisch leichtfüßige und vokal standfeste Daland. Issak Lee schließlich schmettert sich als Erik in seine persönliche Katastrophe. Johannes Pietzonka komplettiert als Steuermann das Ensemble (in der besuchten Generalprobe markierte der GMD kurzerhand die Rolle des sich da noch auskurierenden Sängers. Alexandros Diamantis hat den aufgestockten Chor zwischen seemannsderb und geisterhaft für seine tragende Rolle passgenau einstudiert. Nicht zuletzt setzt GMD Ruben Gazarian mit dem Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera voll darauf, die Tonmalerei Richard Wagners mit der szenischen Malerei von Achim Freyer zu verbinden und einen Sog zu erzeugen. Auf der Bühne reisst er das Holländerschiff in den Abgrund. Im Theater dürfte er die Zuschauer in den Bann ziehen.

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