Der „kleine Unterschied“ bedeutet längst keine Zugangsbarriere mehr, weder bei der Bundeswehr noch bei den Wiener Philharmonikern. Hat sich also die Kategorie „Geschlecht“ historisch erledigt? Das „UltraSchall“-Festival Berlin will keinen Moden hinterher laufen, aber doch „Trends und Tendenzen“ aufzeigen. Da irritiert eine Podiumsdiskussion zum Thema „Frauenmusik – Männermusik“ durchaus, als tiefer Griff in die ideologische Mottenkiste. Oder ist es vielleicht gerade umgekehrt, wie von der „Gender“-Forschung verschiedentlich dargestellt: Frauen und Männer sind zwar gleich-wertig, aber nicht gleich, vive la difference? Grund genug für DeutschlandRadio-Redakteur Rainer Pöllmann, neben Martin Demmler vom SFB künstlerischer Leiter von „UltraSchall“, die Kategorie Geschlecht von den alten Verkrustungen unbelastet, quasi voraussetzungslos beleuchten zu wollen.
Der „kleine Unterschied“ bedeutet längst keine Zugangsbarriere mehr, weder bei der Bundeswehr noch bei den Wiener Philharmonikern. Hat sich also die Kategorie „Geschlecht“ historisch erledigt? Das „UltraSchall“-Festival Berlin will keinen Moden hinterher laufen, aber doch „Trends und Tendenzen“ aufzeigen. Da irritiert eine Podiumsdiskussion zum Thema „Frauenmusik – Männermusik“ durchaus, als tiefer Griff in die ideologische Mottenkiste. Oder ist es vielleicht gerade umgekehrt, wie von der „Gender“-Forschung verschiedentlich dargestellt: Frauen und Männer sind zwar gleich-wertig, aber nicht gleich, vive la difference? Grund genug für DeutschlandRadio-Redakteur Rainer Pöllmann, neben Martin Demmler vom SFB künstlerischer Leiter von „UltraSchall“, die Kategorie Geschlecht von den alten Verkrustungen unbelastet, quasi voraussetzungslos beleuchten zu wollen.Um es vorwegzunehmen: Die meisten Fragen dieses Podiumsgesprächs blieben offen, ja wurden kaum richtig gestellt. Klar war zum Schluss lediglich eines: Diese Diskussion steht nicht am Ende, sondern fängt jetzt erst richtig an. Nicht weil eine neue Generation alles von vorne aufdröseln muss, sondern weil durch die Arbeit von Künstlerinnen erst heute annähernd genügend „Untersuchungsmaterial“ bereitgestellt wird. Das Podium war konträr besetzt: Beatrix Borchardt, einzige bundesdeutsche Professorin mit Arbeitsschwerpunkt Kom-ponistinnen, und der Cage-Forscher Paul van Emmerick von der Universität Utrecht plädierten engagiert gegen Frauendiskriminierung und für sehr wohl wahrnehmbare Auswirkungen der Geschlechterdifferenz, die für die „Praktiker“, die Kulturwissenschaftlerin und ehemalige Dramaturgin der Berliner Staatsoper, Micaela von Marcard, und den Manager des Wiener Festivals „Hörgänge“, Thomas Schäfer, völlig unerheblich waren. Der erhoffte Dialog kam da, von der Musikwissenschaftlerin Dörte Schmidt als Diskussionsleiterin allzu zaghaft angeheizt, nicht recht zustande. Doch auch Statements können aufschlussreich sein. Gewiss enthielt Borchardts Darlegung der Grundsituation weiblicher Kreativität – von 50 Prozent Frauen an den Musikhochschulen entscheiden sich ganze 6 Prozent für die Komponistenlaufbahn; jahrhundertelang waren Frauen von der Entwicklung kultureller Symbolsysteme ausgeschlossen; die geschlechtsspezifische Sozialisation bestimmt auch die ästhetische Wahrnehmung – nichts wesentlich Neues. Doch kann man sich der konkreten Verortung unserer frei schwebenden Musikproduktion ruhig wieder einmal vergewissern, die im Zeitgeist der Ent-Gesellschaftung so schnell abhanden kommt. Der „andere Blick“ der Frau ließe sich am ehesten durch den Vergleich der Kategorie „Geschlecht“ mit derjenigen der kulturellen Herkunft erfassen, meinte Borchardt – das innere Raster, das alles andere bestimmt. Eigenartig nur, dass die Zuordnung zu einer Kultur als weit weniger heikel empfunden werde.Wenn am Wochenende mit spezifischen Lautsprechern für House Music ausgerüstete Wagen durch die Straßen fahren, ausschließlich von Männern bedient, dann wird das ganze Fahrzeug zum „Musikinstrument“ dessen Lautstärke die Männlichkeit des „Musikers“ unterstreicht – so entwickelte van Emmerick ein Gegenbild akustischer Macht und Gewalt. Lässt sich das auf das Hören und Spielen von Musik übertragen? Hören Frauen anders? Während zum Sehen Publikationen vorliegen, fehlen Untersuchungen zur weiblichen musikalischen Rezeption. Ein ganzes Forschungsgebiet tut sich da auf. Neben Fragen nach der Funktion, politischen und gesellschaftlichen Implikationen stellt sich hier die Frage nach der Musik selbst – Carl Dahlhaus zufolge klingt eine Bourdunquinte bei Grieg ebenso norwegisch wie bei Chopin polnisch. Lassen sich aus all diesen Zuschreibungen Hinweise auf eine weibliche Ästhetik auch in der Produktion ableiten? Für Thomas Schmidt von keiner Relevanz: Von Kaja Sariahoos jüngster Oper ließe sich kaum behaupten, dies habe nur eine Frau schreiben können. Da zähle einfach nur Qualität.
Sieht es in der Neuen Musik freier und offener aus, wie van Emmerick meinte? Selbst bei „UltraSchall“ kommen gerade einmal fünf Komponistinnen zu Gehör, bei den letzten Berliner Festwochen, Panorama des ganzen 20. Jahrhunderts, eine einzige, Sofia Gubaidulina. Nachschlagewerke über die letzten 30 Jahre wiederum entnehmen die aufgelisteten Komponisten den Festspielprogrammen. Immerhin schrieb selbst ein John Cage für die Pianistin Grete Sultan, die sich an ein David Tudor zugedachtes Klavierstück wagen wollte, ein Stück „für eine Frau“. Erst wenn Komponistinnen sich von einschlägigen Zuschreibungen befreit haben, wird man der Frage nachgehen können, was an ihrer Musik „weiblich“, was „männlich“, was individuelle Wahl ist. Das grenzt wahrlich an Utopie.