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Unverzichtbare Buhmänner

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Uraufführungen 2015/10
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Klagen über Festivals Neuer Musik sind so alt wie die Festivals selbst. Bereits bei den ersten „Internationalen Kammermusikaufführungen“ in Salzburg, die 1922 den Anstoß zur Gründung der IGNM und deren jährlicher Weltmusikfeste gaben, wurde über die inflationäre Menge an Novitäten gestöhnt.

Zu viel Mittelmaß erschöpfe die Aufnahmekapazität des Publikums und verschütte mit mediokrer Masse die Klasse der wenigen bedeutenden Werke. Bei dem vom Institut für Wertungsforschung veranstalteten Symposion „Neue Musik und Festival“, das 1972 als Teil des zum IGNM-Weltmusikfest ausgeweiteten Grazer „Musikprotokolls“ stattfand, diagnostizierte Rudolf Stephan ein „Unbehagen an den Festen mit Neuer Musik“ und stigmatisierte Peter Vujica diese sogar zum „Ghetto der Neuen Musik“. In dieselbe Kerbe schlug 1972 Hans G. Helms in einer Studie über die „sozialökonomischen Bedingungen, Funktionen und Perspektiven“ von Avantgardefestivals, die er mit „Hitparaden“ und einem „sterilen roundabout“ verglich, da dort „favourisierte Avantgarde-Evergreens“, „epigonale Musikalienhersteller“, „inzüchtige Programmpolitik“ und „konzeptionelle Ziellosigkeit“ dominierten. Ähnliche Kritik formulierten später viele andere, nicht zuletzt Claus-Steffen Mahnkopf in seiner 1998 erschienenen „Kritik der neuen Musik“.

Dennoch entfaltet das geschmähte Format ebenso ungebrochene wie unverzichtbare Aktivitäten und Ausstrahlungskräfte bei der Produktion und Präsentation Neuer Musik. Viele große und kleine, internationale und lokale, allgemeine und spezialisierte Festivals bieten auch im Oktober eine Menge Uraufführungen. Den Anfang macht am 1. das „Internationale Klangkunstfest Berlin“ mit der Premiere von Michael Hirschs „Hypnos 2“ für Sprecher und Zuspielung, gefolgt am 2. und 3. Oktober beim Festival „intersonanzen“ in Potsdam von Pèter Köszeghys neuem Stück „nacre“ für das Ensemble Quillo sowie zwei neuen Werken für das Philharmonische Orchester Cottbus zum „Tag der deutschen Einheit“: Köszeghys „BrD GmBH“ und Hermann Kellers „Zerreißt die unsichtbaren Ketten – Vorspiel für Orchester“. Beim Internationalen Festival of Contemporary Music der Biennale di Venezia erklingen am 4. Oktober erstmals neue Werke von Fabio Nieder und Marcin Stanczyk. Und im dreißigsten Jahr seines Bestehens interpretiert das Ensemble Aventure am 23. Oktober in der Freiburger Elisabeth Schneider Stiftung neue Werke von Jorge Horst, Hideki Kozakura und Chico Mello.

Der Schwerpunkt der Donaueschinger Musiktage liegt vom 16. bis 18. Oktober auf Werken jüngerer Komponis­ten sowie auf Kombinationen von Ins­trumenten mit (Live-)Elektronik. Neue Werke hierzu liefern Johannes Kreidler, Mark Barden, Luis Antunes Pena, Orm Finnendahl, Olga Neuwirth, Mark Andre und die Saxophonistin Lotte Anker mit dem Kollektiv Electric Habitat. Zusätzlich mit Video arbeiten Stefan Prins und Michael Beil. Besondere Besetzungen verwenden die Novitäten von Georg Friedrich Haas für acht Posaunen, Enno Poppe für neun Synthesizer und Alvin Curran für Orchester, Jugendorchester, zwei Selbstspielklaviere und Smartphone-App. Patrick Frank bezieht in seine kulturtheoretische Performance „Freiheit – die eutopische Gesellschaft“ die Kollegen Trond Reinholdtsen und Martin Schüttler ein. Thomas Schulz, José Antonio Orts, Mario Verandi und Mario de Vega verteilen Klanginstallationen in Schlosspark und Innenstadt. Und die wenigen traditionell besetzten Ensemble- und Orches­terwerke stammen von Yoav Pasovsky, Johannes Boris Borowski, Richard Ayres, Carlos Sandoval, Francesco Filidei und Yves Chauris.

Weitere Uraufführungen

03.10.: Hanspeter Kyburz, ptyx für das Grau-Schumacher Piano Duo, Palais de la musique, Straßburg
04.10.: Stephan Winkler, „Überra­schung“ für sieben Instrumentalisten und Elektronik mit Film, Akademie der Künste Berlin (Hanseatenweg); und Martin Smolka, Quand le tympan de l’oreille porte le poids du monde für das Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo, Auditorium Rainier III, Monte Carlo
10.10.: Chaya Czernowin, Once I blinked nothing was the same für die Bamberger Symphoniker, Bamberg; und Enjott Schneider, Orgelsinfonie No. 14 „Die Romantische“, Dom Speyer
19.10.: Karl Gottfried Brunotte, Intima für Stimme, Sprecher und Perkussions-Ensemble, Festspielhaus Hellerau
24.10.: Noriko Kawakami, Neues Werk für Ensemble L’Art pour l’art, Japanisches Kulturinstitut Köln

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