Seit mehr als 150 Jahren bereits geistert der Monstergorilla King Kong in sämtlichen Kunst- und Unterhaltungsmedien durch die Kulturgeschichte – Skulptur, Roman, Comics, Computerspiel, Kinderbuch, Musical… Die amerikanische Originalverfilmung von 1933 gilt als Klassiker in der langen Folge der Bearbeitung des Stoffes. In Magdeburg fand nun die Uraufführung einer Kammeroper von Jeffrey Ching statt: „Die wahre Geschichte von King Kong“ verbindet Musiktheater mit Puppenspiel und Film, basierend auf einem Libretto von Roscha A. Säidow, die auch Regie führt. Michael Jenne berichtet.
In ihrer Fassung erhält die Fabel von dem Riesenaffen und der von ihm gekidnappten Blondine weitere Windungen mit Folgen auch für die Moral der Geschichte; so mutiert Kong auf dem Weg aus seinem Dschungelreich nach New York zum Schwarzen Mann und die Angst und Abneigung ihm gegenüber trägt nun plötzlich rassistische Züge – ein gewagt vordergründiger Knick.
Zunächst aber sei nachdrücklich festgestellt, dass dem Theater Magdeburg der Kompositionsauftrag an den in Berlin ansässigen Komponisten chinesischer Abstammung einen eindeutigen Erfolg gebracht hat, vom Publikum bei der Premiere am 16. März laut und deutlich bestätigt. Jeffrey Ching, der bereits vor zehn Jahren am Theater Erfurt für seine Oper „Das Waisenkind“ von Kritikern hoch gelobt und mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, hat hier wieder eine bis in viele Details der Form wie auch der Klangfarbenvielfalt meisterlich gearbeitete Partitur geliefert, von ihm selbst beschrieben als „eine jazzige Oper in Oratorienform“, in der sich beispielsweise im 2. Akt eine Passacaglia und Doppelfuge findet, sich in einer Arie im 3. Akt eine Fuge in D-Dur, überlagert von einem zweistimmigen Krebskanon in g-Moll mit schnellen Foxtrott-Elementen versteckt und das Finale in eine achtstimmige Fuge mit Umkehrung, Engführung und Augmentation mündet. Das alles geschieht ohne jede Spur von schulmeisterlicher Penetranz, allein die Schlussfuge ist auf Anhieb erkennbar und erinnert damit an das Finale von Verdis „Falstaff“, freilich ins Tragische verkehrt.
Aufgeboten für das musikalisch-technisch anspruchsvolle Werk ist eine ausgezeichnete Besetzung sowohl der Gesangspartien – zu nennen vor allem Lauren Urquhart, Andión Fernández sowie Bradley Smith in den Hauptrollen – als auch des solistisch besetzten Instrumentalensembles aus den Reihen der Magdeburgischen Philharmonie, unter der zuverlässig präzisen Leitung des derzeit am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz tätigen Kiril Stankow, dem am Schluss auch der Beifall des gesamten Ensembles galt.
Das Libretto sowohl wie das Geschehen auf der Bühne sind allerdings durch weniger Stringenz und Klarheit gekennzeichnet als die Musik. Die multiple Verbindung von Oper, sie allein schon eine Kombination von Musik, Text und Bühnengeschehen, mit Puppenspiel im doppelten Sinne, nämlich als Führung winziger Püppchen wie auch der Riesengestalt des Kong allein durch drei Personen und als puppenhafte Darsteller-Doubles der Hauptakteure, schließlich ergänzt durch Film und Video, bewirkt häufig eine visuelle Verdoppelung, bisweilen Verdreifachung von Personen und Handlung auf der verhältnismäßig kleinen Bühne, was dem Verständnis der Charaktere wie des Handlungsverlaufs nicht förderlich ist. Hinzu kommt, dass der von der in Berlin geborenen und ausgebildeten Roscha A. Säidow auf Englisch verfasste Text (The True Story of King Kong), gesungen und dabei bisweilen vom Orchester zugedeckt, in deutscher Übersetzung auf Tafeln am Bühnenrand projiziert verfolgt werden muss. So erscheint das auf verschiedenen Ebenen komplexe Werk in manchen Szenen gestrickt nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Den Besuchern der noch ausstehenden Aufführungen am 24. und 29. März, 20. April, 12. und 25. Mai sei daher dringend empfohlen, das informative Programmheft vorher zu studieren. Zu empfehlen ist der Besuch der King Kong Oper aber allemal!