Was wäre die Neue Musik ohne die Musiker und Ensembles, die sie aufführen? Außer dem längst legendären „Verein für musikalische Privataufführungen“, in welchem Wiener Musiker und Komponisten um Arnold Schönberg nach dem Ersten Weltkrieg drei Jahre lang Solo-, Kammermusik- und Ensemblewerke ausschließlich zu eigenem Studium erarbeiteten und aufführten, gab es nach der Gleichschaltung und Zerschlagung des europäischen Musiklebens durch die faschistischen Diktaturen und den Zweiten Weltkrieg zunächst keine Spezialensembles für Neue Musik, die sich die junge Musiker- und Komponistengeneration nach 1945 hätte zum Vorbild nehmen können.
Deren Eigeninitiative ließ indes nicht lange auf sich warten. Nach dem Kranichsteiner Kammerensemble, das sich bei den Darmstädter Ferienkursen jedes Jahr neu aus Dozenten zusammensetzte und wieder auflöste, waren die ersten Neugründungen fester Ensembles Mitte der 1950er-Jahre die „Domain musicale“ in Paris und die „Incontri musicali“ in Mailand. Ihnen folgte 1958 in Wien das Ensemble „die Reihe“, gegründet von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik überwiegend aus Musikern des Radio-Symphonieorchesters des ORF.
Der Namen war Programm, da man besonders die durch die Nazis verfemte Musik der Zweiten Wiener Schule pflegen und zugleich eine aufführungspraktische und programmatisch anders ausgerichtete Ergänzung schaffen wollte zu der seit 1955 von Herbert Eimert und Karlheinz Stockhausen bei der Wiener Universal Edition unter dem Titel „die Reihe – Information über serielle Musik“ herausgegebenen Zeitschrift, deren Autoren die Wiener Ensemblegründer in Darmstadt kennengelernt hatten. Mit einer eigenen Konzertreihe in Wien und Gastspielen bei internationalen Festivals entwickelte sich „die Reihe“ schnell zu einem der wichtigsten Foren der Neuen Musik in Österreich, vor allem für österreichische Komponisten, aber auch für Erstaufführungen der internationalen Avantgarde.
Bis heute gerne kolportiert werden einige „Skandalkonzerte“ des Ensembles im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses: etwa als 1959 David Tudor und die im Publikum platzierten Musiker die Zuhörerschaft mit Cages indeterminiertem „Piano-Concerto“ gegen sich aufbrachten, oder als 1960 die – laut Wiener Presse – „wildgewordene Mopedbande“ mit Werken von Penderecki, Logothetis und Varèse die „nach dem großen Musikgenius benannte Musikstätte entweihte“.
Die Pioniertaten des Ensembles „die Reihe“ haben in der bis dato eher vergangenheitsverliebten Backhändl-Republik den Boden für viele weitere Ensembles und Festivals Neuer Musik bereitet, in Wien, Salzburg, Graz, Linz, Schwaz, Bregenz, Mittersil, Klosterneuburg …, die wie das „Klangforum Wien“ inzwischen vielfach ungleich größere Ausstrahlung entfaltet haben als das erste Neue-Musik-Ensemble der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Am 3. Juni feiert das seit 1983 von HK Gruber geleitete Ensemble „die Reihe“ sein 50-jähriges Bestehen im Radiokulturhaus des ORF Wien mit einem Konzert, bei dem zwei eigens zu diesem Anlass entstandene Werke zur Uraufführung gelangen: Thomas Daniel Schlees „Enchantement vespéral“ und Gerald Reschs „Grounds“.
Weitere Uraufführungen
04. und 06.06.: Lee Ferguson, Daniel Agi, Peter Vogel, neue Arbeiten, Festival Raumklänge, Alte Kirche Stommeln/Pulheim
05.06.: Osvaldas Balakauskas und Stephan Froleyks, neue Werke, LangeMusikNacht der Gesellschaft für Neue Musik Münster, Kunstakademie Münster
05.06.: Preisträgerkomposition von „Jugend komponiert“ 2009, Japanisches Kulturinstitut Köln
09.06.: Michael Hirsch, Worte Steine für Bariton, Chor und Orchester, Theater Greifswald
14.06.: Moritz Eggert, Paul Frehner, Jeffrey Ryon, Rodney Sharman, 10. ADEvantgarde-Festival, Gasteig München
18.06.: Erkki-Sven Tüür, Symphony No. 7, Alte Oper Frankfurt
19.06.: Detlev Glanert, Fluss ohne Ufer für Orchester, Kölner Philharmonie
20.06.: Friedrich Cerha, Konzert für Kla-
rinette und Orchester, Neuberg an der Mürz
21.06.: Christian Jost, Hamlet – 12 musik-
dramatische Tableaus nach Shakespeare, Komische Oper Berlin
27.06.: Wolfgang-Andreas Schultz, 3. Streichquartett, Musikhalle Hamburg