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Uraufführungen 2010/12: Fortunas Schwungrad

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Deutschland hat die Finanz- und Wirtschaftskrise besser überstanden als manch andere Nation. So jedenfalls tönen regierende Politiker. Schon ist man, wäre nicht China, fast wieder Exportweltmeister. Made in Germany ist weltweit gefragt. Die Produktion heimischer Unternehmen floriert. Es werden wieder Arbeitskräfte gesucht und Steuermilliarden in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden gespült. Doch wie lange der Aufschwung dauert, kann kein noch so weiser Wirtschaftswissenschaftler prophezeien. Die Zukunft ist ungewiss. Was bleibt, sind die nackten Zahlen der Gegenwart. Und die sind rot und zeigen auf Abschwung. Es ist wie beim Glücksrad der Fortuna: Treibt es die einen hoch, zieht es die anderen runter. Die Krise der Ökonomie schlägt sich jetzt mit der für jeden Wirtschaftszyklus typischen zweijährigen Verzögerung in den Haushalten nieder. Die öffentliche Hand ist verschuldet wie noch nie. Das trifft auch die Kultur und die Neue Musik.

Nahezu allerorten stehen Theater, Bibliotheken, Museen, Konzertreihen und Festivals zur Disposition. Prominente Beispiele liefern Wuppertal, Dessau, Flensburg, Hamburg … Während die Freie Szene in Köln nach massiven Protesten mit Kürzungen im einstelligen Prozentbereich wohl noch glimpflich davon kommt, trifft es andere umso härter. Die Stadt Eckernförde droht ihre Aufwendungen für Kulturträger um 20 Prozent zu streichen.

Die dort seit 2001 bestehende Konzertreihe Neue Musik soll gar um nahezu zwei Drittel gekürzt werden, ein Schwund, der wohl gleichbedeutend wäre mit dem Ende des einzigen, professionell arbeitenden Neue-Musik-Ensembles und der einzigen Konzertreihe für Neue Musik in Schleswig-Holstein. Dramatisch ist auch die Situation beim Kulturradio SWR 2, das eine 25-prozentige Kürzung verkraften und fortan mit weniger Personal und Produktionsmitteln auskommen soll. Das Auswärtige Amt beabsichtigt seine Regelförderung des Berliner Hauses der Kulturen der Welt um 20 Prozent zu kürzen. Musik der Jahrhunderte in Stuttgart muss mit fünf Prozent weniger Finanzmitteln auskommen. Und, und, und …

… und dennoch! Der Bonner Dialograum präsentiert am 1. Dezember neue Werke von Miklós Maros und Volker Blumenthaler. Am selben Abend ist in der Düsseldorfer Tonhalle erstmals Sidney Corbetts „Rasch“ nach Texten von Roland Barthes zu erleben. Musik der Jahrhunderte Stuttgart legt am 11. Dezember mit „Südseite nachts“ gar eine neue Konzertreihe im Theaterhaus auf mit gleich vier Uraufführungen von Jennifer Walshe, Johannes Kreidler, Hilda Paredes und Johannes Schöllhorn. Der Düsseldorfer Kulturbahnhof präsentiert am 12. Dezember neue Holzbläsertrios von Erik Janson und Johannes K. Hildebrandt. Und das neue Jahr beginnt besonders vielstimmig mit dem Berliner Festival für Neue Musik Ultraschall vom 21. bis 30. Januar.

Weitere Uraufführungen:

5.12.: Enjott Schneider, Orbe rotundo – Lieder von Leben, Magie und Tod für Soli, Chor und Orchester, Herkulessaal der Residenz München
Wolfram Wagner, Veni, Domine für Männerchor, Hofburgkapelle Wien
15.12.: Charlotte Seither, Schatten und Klarsein. Verse für Heinrich von Kleist für Sopran und Streichorchester, Heilbronn
14.1.: Krzysztof Penderecki, Liederzyklus zum Chopin-Jahr für Soli, Chor und Orchester, Philharmonie Warschau
27.1.: Jörg Widmann, Oboenkonzert, Mozarteum Salzburg
28.1.: John Cage, Eighty, Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
30.1.: Camille van Lunen, 1. Streichquartett, Schloss Morsbroich Leverkusen

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