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Sopranistin Frauke Aulbert und das Kyiv Symphony Orchestra unter Vitalii Protasov. Foto: Musikverlag Hans Sikorski

Sopranistin Frauke Aulbert und das Kyiv Symphony Orchestra unter Vitalii Protasov. Foto: Musikverlag Hans Sikorski

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Verantwortung hörbar machen

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Das Kyiv Symphony Orchestra blickt mit Claus-Steffen Mahnkopfs „Ukraine-Triptychon“ in eine unklare Zukunft
Vorspann / Teaser

Es ist wahrscheinlich ein Leichtes, neue Musik (oder sonstige Kunstwerke) einer guten Sache zu widmen. Dieses ebenso ehrbare wie wohlfeile Anliegen dann aber just in der Musik auch hörbar zu machen, wiegt wesentlich schwerer. Wenn es denn glückt. Dem Komponisten Claus-Steffen Mahnkopf ist es gelungen, eigenen Anspruch und äußere Wirkung überzeugend zu einen. 

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Sein „Ukraine-Triptychon“, zum zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine in Gera uraufgeführt, fand im Kyiv Symphony Orchestra einen wahren Sachwalter, dem eine grandiose Umsetzung gelang.

Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Was natürlich am fortdauernden Kriegsgeschehen liegt, das Tag um Tag weitere Opfer verlangt, unfassbar viel menschliches Leid, und dauerhafte Schäden in der Natur hinterlässt. Zu Wasser, zu Land, in der Luft.

Wer militärische Gewalt heute noch als mögliche Problemlösung erachtet, ist ein Narr und hat nichts aus der Geschichte begriffen. Dennoch wirkt diese Sicht der Unbelehrbaren fatal ansteckend, wie die Nachrichtenlage täglich beweist. Dass mit Kunst und Musik dagegen angegangen werden könnte, halten nicht mal Künstler und Musiker für realistisch – und ihren aufklärerischen Widerstand umso höher. 

Aufruf zum Widerstand

Einer von ihnen ist der 1962 geborene Komponist Claus-Steffen Mahnkopf, der sich seit dem massiven Überfall Russlands auf das Nachbarland Ukraine im Februar 2022 als „politischer Komponist“ versteht. Im selben Jahr schuf er das „Ukraine-Triptychon“ und hat es „dem freien Volk“ des Landes gewidmet.

Er wolle das dreiteilige Werk als Reflexion über den Krieg verstanden wissen und hat sich in den einzelnen Sätzen auf konkrete Gewalttaten bezogen. Da ist zunächst der Holodomor thematisiert, das grausame Aushungern großer Teile der ukrainischen Bevölkerung anfangs der 1930er-Jahre. Der millionenfache Tod als Folge von Stalins Politik - auch dies ein Versuch, die Ukraine als Nation mit eigenständiger Kultur auszulöschen? Mahnkopf hat diesen unaussprechlichen Schmerz hörbar gemacht, lässt Instrumentengruppen metallisch dräuende Geräusche erzeugen, kräftige Klangcollagen, die qualvolles Leid versinnbildlichen. Solistisch wirkt hier ein Sopran mit, dem die Worte fehlen. Frauke Aulbert hat mit bloßen Vokalisen starken Eindruck hinterlassen.

Im zweiten Satz gibt es das Cimbalom als Soloinstrument, um an den jüdischen Friedhof von Warschau zu erinnern. Enikö Ginzery setzte mit virtuosen Melodiefolgen wirkungsvolle Kontraste zum beängstigend dunklen Orchesterklang – als könnte ein Aufbäumen, ein Ausweg möglich sein aus nie vergessener Pein. Wuchtige Bläsersignale schreien dazu in die Welt.

Sie selbst müsste aufschreien, die Welt, denn mit dem nächsten Satz und einer E-Bass-Gitarre im Solo widmet sich Mahnkopf „Kubricks Bombe“. Die musikalisch anklingende Katastrophe, erzeugt durch Jürgen Rucks sehr gegenständliche Bearbeitung des auf einem Tisch liegenden Instruments, wird etwa mit flirrenden Trompeten heraufbeschworen – bleibt dann aber aus, denn das „Ukraine-Triptychon“ klingt mit einer kurzen Union der drei Soli aus und hinterlässt ein vorsichtiges Hoffen.

Hoffnung, die alle Ängste besiegt?

Ein Hoffen, das auch den Musikerinnen und Musikern des Orchesters zu eigen ist, schließlich haben die meisten von ihnen Angehörige und Freunde in der Ukraine zurücklassen müssen und fürchten um deren Schicksal. Sie selbst haben im Sommer 2022 nach einer ersten Gastspielreise durch zahlreiche deutsche Städte im thüringischen Gera eine neue Heimat nebst Wohnung, Spiel- und Proberäumen gefunden. Von hier aus wirkt das Kyiv Symphony Orchestra als kultureller Botschafter der Ukraine. Große Unterstützung erfährt es dabei – bislang! – durch den Italiener Luigi Gaggero, der bereits seit 2018 als Chefdirigent des Klangkörpers agiert.

Bislang? Im unmittelbaren Umfeld des Gedenkkonzertes zum zweiten Jahrestag des Überfalls ist der Chef von Amt und Verpflichtungen erst einmal „entfernt“ worden. Auf Betreiben des zeitgleich in der Tagespresse heftig angegangenen Orchesterdirektors Oleksandr Zaitsev, dem von zahlreichen Orchestermitgliedern illegale Verhaltensweisen vorgeworfen werden. Er habe sie mehrfach zu falschen Angaben bei Jobcenter und Finanzamt gezwungen, um die viel zu geringen Zahlungen für Konzerte und Gastspiele zu kaschieren. Die Musikerinnen und Musiker leben in Gera vom sogenannten Bürgergeld, zudem soll es in unregelmäßigen Abständen spärliche Honorare für Auftritte geben. Die zuvor gezahlten Überweisungen aus der Ukraine wurden im Frühjahr 2023 eingestellt, der Staat hat völlig andere Probleme.

Drohung über allem

Nachdem sich „eine Gruppe von Musikern des Orchesters“ in einem nicht namentlich gezeichneten Schreiben an Polizei und Finanzamt in Gera gewandt hat, kam abrupte Bewegung in die Sache. Ziel der aus Angst vor persönlicher Rache und anderen Bestrafungsmaßnahmen nur ano­nym agierenden Opponenten dürfte es sein, ihre künstlerische Arbeit im Dienst der ukrainischen Kultur nicht zum sprichwörtlichen Nulltarif zu verrichten. Bei jedem Protest schwebe die Drohung über den männlichen Orchestermitgliedern, als Deserteure bezeichnet zu werden oder gar den Aufenthaltsstatus als vom Kriegsdienst freigestellt zu verlieren.

Dennoch gab es Ende Februar mehrere Finanzkontrollen des Erfurter Zolls, um den mehr als prekären Arbeitsverhältnissen auf den Grund zu gehen. Trotz der hohen Qualität des Orchesters und dessen besonderer Rolle in diesen Kriegszeiten erscheinen die Zukunftsaussichten mindes­tens unklar. 

Schirmherrin hilf

Positive Signale kommen von der Politik, etwa von Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Als Schirmherrin des Sonderkonzerts erklärte sie, die Präsenz des Orchesters sei ein Beispiel für den Schutz der ukrainischen Identität und Kultur, die ein Putin jedoch vernichten wolle. „Jetzt geht es darum, gemeinsam einen Weg zu finden, das Orchester zusammenzuhalten, damit es noch existiert und in der Heimat spielen kann, wenn dieser furchtbare Angriffskrieg vorüber ist.“

Im Musikbetrieb allerdings ist von den Ängsten wenig zu spüren. Das Kyiv Symphony Orchestra musiziert famos, scheint sich seiner Verantwortung durchaus bewusst und macht sie geradezu hörbar. Nicht nur Claus-Steffen Mahnkopfs Triptychon, auch weitere Werke des dramaturgisch klug zusammengestellten Konzertes machten dies unter der musikalischen Leitung von Vitaliiy Protasov überaus deutlich. Sei es in den 1945 als Reflex auf den Zweiten Weltkrieg entstandenen „Metamorphosen für 23 Solo-Streicher“ von Richard Strauss, sei es in Solostücken wie Max Bruchs „Kol Nidrei“ oder im 2. Violinkonzert von Yevhen Stankovych – überall sind stolz und selbstbewusst die Werte von Kunst und Musik gegen jedwede Unmenschlichkeit zu spüren.

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