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Eine Spiegelung von einer jungen blauhaarigen Frau, die einem ebenfalls jungen Mann eine Hand auf seine Wange gelegt hat. Weit hinter der Spiegelung ein Drumset auf sonst unbeleuchteter Bühne.
Eine Spiegelung von einer jungen blauhaarigen Frau, die einem ebenfalls jungen Mann eine Hand auf seine Wange gelegt hat. Weit hinter der Spiegelung ein Drumset auf sonst unbeleuchteter Bühne.
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„Vergessen ist ein Menschenrecht“ – Uraufführung von Sara Glojnarićs „Neuro-Moon. Manage your memories“ in Freiburg

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Ein Handyladekabel in einem Glas, dazu eine Erklärung: Drei Stunden zu spät im Krankenhaus – der Vater bereits an Covid-19 gestorben und in einen schwarzen Plastiksack gesteckt, das Kabel noch in der Steckdose. Jeder der Gegenstände, die im Vorfeld der Musiktheaterproduktion „Neuro-Moon. Manage your memories“ im Theater Freiburg abgegeben wurden, erzählt in der begleitenden Ausstellung in der Kammerbühne des Freiburger Theaters eine bedrückende Geschichte, von der man über Kopfhörer erfährt. Die zu Türmen aufgebauten Gläser dieses „Museums der unliebsamen Erinnerungen“ finden sich auch in der atmosphärisch dichten Inszenierung von Miriam Götz wieder. Einige unliebsame Erinnerungen der Freiburgerinnen und Freiburger hat Emma Braslavsky in ihr Libretto übertragen.

Sara Glojnarićs neues Musiktheater „Neuro-Moon. Manage your memories“, das im Kleinen Haus des Freiburger Theaters uraufgeführt wurde, beschäftigt sich mit der Last der Erinnerung und den Versuch, sich davon zu befreien. Es geht um Selbstoptimierung und die Suche nach Identität, um Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz. Ein junges Paar entwickelt eine App, mit der man negative Erfahrungen löschen kann. „Schmerzhafte Erinnerungen, die dein Leben vereinnahmen, musst du nicht ertragen. Vergessen ist ein Menschenrecht“, deklamiert die selbstbewusste PR-Managerin Fenja (Mona Georgia Müller). Die App wird zum Hype, ehe sich der Gesetzgeber meldet, dass auch die negativen Erinnerungen als Kulturgut gespeichert werden müssten. Nach einem Datencrash fliegt am Ende das ganze Entwicklerteam zum Mond, wo die neuen Server stehen – und lächelt in die Kamera.

Analoge Analogien

Der Abend (musikalische Leitung: Friederike Scheunchen) beginnt mit einem ganz analogen Speichermedium. Die weiße, spacige Kostüme tragenden Musikerinnen und Musiker des Ensemble Recherche stanzen Lochstreifen aus, die sie mit einer kleinen Kurbel in Spieluhren zum Klingen bringen. Tonale, vertraute, nostalgische Klänge, die, digital bearbeitet, im Laufe des Abends immer wieder als Leitmotiv auftauchen. Wie überhaupt die Musik von Sara Glojnarić mit ihrer tonalen Grundlage, ihrer Transparenz und dem raffinierten, durchaus popartigen Synthiesound (Keyboard: Klaus Steffes-Holländer) überaus zugänglich ist. Vor allem schreibt die in Stuttgart lebende, kroatische Komponistin, die gerade mit dem Förderpreis der diesen Kompositionsauftrag finanzierenden Ernst-von Siemens-Stiftung ausgezeichnet wurde, ganz traditionell für die Stimme.

Schöne Stimmen und ungelenke Texte

Besonders große Kantabilität entfaltet Janina Staub als Programmiererin Selina in den vielen ruhigen, hoch liegenden Passagen. Mit betörendem Sopran erzählt diese Selina in der zweiten Szene von ihrer ersten, unglücklichen Beziehung, während ihr Freund Tilman (mit leichtem, warmem Bariton: Johannes Fritsche), der aufstrebende Neurologe, sich an den Selbstmord eines guten Freundes erinnert. Dazu sitzen die beiden auf der Couch und hören Claude Debussys „Claire de Lune“ auf dem Plattenspieler (Bühne und Kostüme: Sarah Mittenbühler). Bei manchen pathetischen Gesangsnummern wundert man sich über die zugrunde liegende, nüchterne Sprache von Librettistin Emma Braslavsky wie im Duett „Neuro-Moon ist aufgegangen“, wenn Zeilen wie „Überlass Fenja die Geschäftsleitung“ oder „Nur für schnöden Mammon schaffen“ mit großen melodischen Bögen versehen werden. Die gesprochenen Passagen sind stimmiger.

Mit dem Auftritt von Aslan (präsent: Yunus Schahinger) und Sumi (kristallin: Ani Yorentz), den beiden aalglatten, im Sessel fläzenden Firmenchefs, ändert sich die Musik. Christian Dierstein liefert harte Schläge am exponierten Drumset – schroffe Einwürfe statt wohlige Harmonien in den Streichern (Melise Mellinger/Violine, Asa Akerberg/Violoncello) und der Klarinette (Shizuyo Oka). Zur Vorbereitung der Mondfahrt kommt das Ensemble Recherche in der Bühnenmitte als Chor zusammen, während bereits goldene Tassen und Messer durch die Luft schweben (Video: Robert Läßig). Am Ende werden Papierhelme aufgesetzt. Und man bewegt sich zumindest musikalisch mit kreisenden Harmonien in die Schwerelosigkeit.


Weitere Aufführungen: 14./18. Mai, 8./17. Juni 2023. www.theater.freiburg.de (2 Stunden vor und nach den Vorstellungen ist die dazugehörende Ausstellung auf der Kammerbühne geöffnet. Zusätzlich: 21. Mai und 4. Juni zwischen 15 und 17 Uhr)

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