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VolksWagner – Sonderausstellung des Richard-Wagner-Museums Bayreuths
VolksWagner – Sonderausstellung des Richard-Wagner-Museums Bayreuths
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VolksWagner – Sonderausstellung des Richard-Wagner-Museums Bayreuths

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Bei „VolksWagner“ denkt man nicht zufällig an Volkswagen, bei dem Massen- Automobil an eine musikalische „Marke“ für die Massen. Wagner ist für viele Inbegriff von „Hochkultur“ Doch er ist auch Teil der sogenannten „Populär­kultur“. Ihr ist die jüngste Sonderausstellung des Richard-Wagner-Museums Bayreuths gewidmet, der massenhaften Vermarktung durch „Popularisierung, Aneignung, Kitsch“.

Die Schau im modernen Anbau des Richard-Wagner-Museums spannt einen großen Bogen dieser oft widersprüchlichen Popularisierung, die bereits zu Wagners Lebzeiten begann und bis heute andauert. Sie hat ihren Grund in der polarisierenden, umstrittenen Persönlichkeit, der schillernden ideologischen Vieldeutigkeit und der mythologischen Faszination des Werks einer der janusköpfigsten Künsterpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts.

Friedrich Nietzsche hat Wagner nicht ohne Grund den „Victor Hugo der Musik“ genannt. Wagners Werk mit seinem europäischen „Beziehungszauber“ markiert einen Knotenpunkt jener europäischen Materialien des 19. Jahrhunderts – der faszinierenden Sprengstoffe, Gifte, Hoffnungen, Utopien, Heilsversprechungen, Ideologien, Irrtümer aber auch Wahrheiten in Kunst, Musik, Politik, Gesellschaft, Philosophie und Psychologie, von denen wir heute immer noch zehren. Wagner hat musikalisch-theatralische Utopien, Träume, Alpträume und Visionen geschaffen, die in sich so romantisch, aber auch so modern, so vielfältig und vieldeutig, so explosiv und gefährlich, so narkotisch wie ernüchternd, so giftig wie human, so brüchig und so illusionär, so monströs wie poetisch sind wie nur weniges in der neueren Kulturgeschichte. Gerade deshalb ist Wagners Werk nach wie vor so unwiderstehlich bis heute, Projektionsfläche und Missbrauchs-Steinbruch verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Systeme, ob links oder rechts, diesseits wie jenseits des Atlantiks. Friedrich Nietzsche hat es auf den Punkt gebracht: „Die Deutschen haben sich einen Wagner zurecht gemacht, den sie verehren können“. Aber es waren nicht nur die Deutschen, wie die weit ausholende Ausstellung zeigt.

Mittelpunkt der sehenswerten Ausstellung ist die Tatsache, dass seit Anbeginn der Filmgeschichte Wagners Musik, verwendet wurde. Etwa in Blockbustern wie „Apocalypse Now“, „Blues Brothers“, „Matrix“ oder auch „Django Unchained“.  Dabei nimmt der „Walkürenritt“ eine exponierte Stellung ein, wie man erfährt. Spätestens seit dem 30. Mai 1941, als er im Rahmen einer Deutschen Wochenschau die Luftkämpfe über Kreta untermalte, wurde er weltweit zum musikalischen Synonym für kriegerische Aggressivität. Aber selbst die Marvel-Heldinnen (Marvel Comics, eigentlich Marvel Entertainment, LLC - ist ein US-amerikanischer Comicverlag mit Sitz in New York City; er zählt zu den weltweit größten Verlagen dieses Genres – Zu den bekannten Titeln zählen Spider Man, Thor, Die Rächer oder Ghost Rider, um nur einige zu nennen – viele Comics wurden verfilmt.) sind nach Wagners Figuren benannt. Auch Gralskelch-Werbung, Kaffee-Tässchen mit Wagnerbildnis und Arrangements für Klavier sind zu sehen, Filmplakate natürlich und süße Wagner-Marzipan-Verführungen einer Bayreuther Konditorei. Last but not least wird auch der durch die Marke „ Rheingold“ für durch Wagner gesteigerten Sektgenuss à la „Söhnlein brillant“ nicht verschweigen.

Der Hit der Ausstellung ist der bekannte französische Schmelzkäse „La Vache qui rie“ (die lachende Kuh), der als Walküren-Parodie „La Wachkyrie“ über die Instrumentalisierung Wagners in der deutschen Krigspropaganda lachte. Das Werbeplakat dieser Verspottung ist zu besichtigen, aber auch eine Wagner-Christbaumkugel, diverse Souvenirs und Sammelbildchen, eine CD „Walking with Wagner“, eine Wagner-Actionfigur in Plastik, Wagnerkarikaturen, Wagnercomics, eine Porzellan-Service Werbung „Winifred“ (sie war Ehefrau des Wagnersohnes Siegfried und Festspielleiterin, die sich Hitler andiente und Bayreuth in den Dienst der Nazis überführte). Die Fülle der Exponate reicht von Beispielen der Verballhornung etwa in Parodien von Nestroy (die gedruckt als Buch in Vitrinen ausliegen) bis zu ideologischen Vereinnahmungen in nationalistischen Wagner-Werbeplakaten. Da sieht man beispielsweise das Bayreuther Festspielhaus auf dem Titelblatt der nationalsozialistischen Monatsschrift „Deutsches Wesen“. Auch die enorme propagandistische Bedeutung des Mediums Radio im Dritten Reich mit Wagnerbeschallung wird dokumentiert.

Radeberger Pilsener-Werbung, die vor der Semperoper den Einzugschor in die Wartburg aus dem „Tannhäuser „benutzt, sowie „Kuriosa Kitsch und Kostbarkeiten“ (die schon im früheren Richard-Wagner-Museum in einem eigenen Kabinett dieses Namens gezeigt wurden) machen deutlich, wie Wagner, aus unterschiedlichsten Interessen zur Massen-„Ware“ verkam bzw. missbraucht wurde. Die Fülle der Exponate ist enorm.

Es gibt viel zu Schmunzeln. Aber das Lachen, dessen man sich gelegentlich nicht enthalten kann, bleibt einem zuweilen im Halse stecken. Vor allem bei den Wagnerzeugnissen der nationalsozialistischen Propaganda.  Geradezu verstörend wirkt der Entwurf für das Plakat „Es lebe Deutschland“ von K. Stuber (1935) mit Hitler als dämonischem Parsifal: der Diktator mit Hakenkreuz als „Erlöser“-Führer, um nur ein extremes Beispiel zu nennen. Ein krasser Fall von Wagnermissbrauch.

Mit dem fotografischen Hinweis auf die Wagner-OpenAir-Aktivitäten (Public Viewing) der der Nach-Wolfgang-Ära wird auch ein kritischer Blick geworfen auf die Bayreuther Festspiele von heute, die sich von Richard Wagners Utopie inzwischen weit entfernt haben

Zur Erinnerung: Die Bayreuther Festspiele sollten von Anfang an „die Utopie einer totalen Alternative“ – wie es Oswald Georg Bauer einmal auf den Punkt brachte – zum vorherrschenden, kommerziell orientierten Theaterbetrieb sein – jenseits der Metropolen! Jenseits aber auch von allem Zeitgeist und aller Popularisierung.  Sie standen dem, was wir heute Entertainmentindustrie nennen, diametral entgegen. Das Theater Wagners in Bayreuth sollte ein Fest sein. Wie bei den alten Griechen. Die Idee eines missbrauchten VolksWagners wäre dem „Meister“ sicher ein Gräuel gewesen.


„VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“
Sonderausstellung im Richard-Wagner-Museum Bayreuth
23. Juli – 3. Oktober 2022
Di-So, 10:00-17:00 Uhr, Juli und August, Mo-So, 10:00-18:00 Uhr

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