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Elissa Huber, Adrian Eröd © Matthias Jung

Elissa Huber, Adrian Eröd. Foto: © Matthias Jung

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Wider die eigene Verzweiflung – „Die lustige Witwe“ an der Oper Köln

Vorspann / Teaser

Zum Jahreswechsel produziert die Oper Köln in ihrem Ausweichquartier „Staatenhaus“ eine rasante, unbekümmerte und musikalisch hervorragende „Lustige Witwe“, inszeniert von Bernd Mottl. Dabei fehlt es nicht an Anspielungen auf die finanziell und terminlich ausufernde Renovierung des Stammhauses. Das Kölner Publikum quittiert das mit Gelächter. Der Lappen wird schon irgendwo hochgehen.

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Die Pariser Botschaftsräume von Baron Zeta kleiden sich im scheußlichen 1970er-Jahre-Schick. Orangene Polstermöbel stehen vor braun spiralisierten Tapeten, man trägt roten Anzug zum pinken Hemd. Gleichzeitig herrscht dringender Renovierungsbedarf. Ziegelsteine stürzen hinab, wenn die Tür zu fest zugeschlagen wird. Willkommen im Hoheitsgebiet des klammen Pontevedro!

Und willkommen zum größten Welterfolg der österreichischen Operette: „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár, uraufgeführt 1905 im Theater an der Wien. In Köln inszeniert Bernd Mottl, der zwar in Berlin sozialisiert wurde, aber aus der Gegend stammt. Publikumserfolge scheinen ihm nicht verdächtig, er ist also der Richtige für den frivolen, gelegentlich abgeschmackten und keinesfalls woken Humor der „Witwe“. In bester Offenbach-Tradition würzt Mottl seine Textbearbeitung mit aktuellen Anspielungen, inbesondere auf die Renovierung der Kölner Oper. Nachdem Hanna Glawari die abgewrackten Botschaftsräume Pontevedros in einen sozialistischen Prachtraum mit herrlichen Mosaiken verwandelt hat – die Bühne von Friedrich Eggert trägt zum Schauwert der Aufführung wesentlich bei – und gefragt wird, wie sie das in nur einer Woche hinbekommen habe, antwortet sie leichthin: „Nun, wir haben erst geplant, dann gebaut.“ Da lachen die Kölner, wider die eigene Verzweiflung, denn der zugesagte Eröffnungstermin zur Opernsaison 2024/25 ist schon wieder Makulatur.

Mottl inszeniert die Operette wie es sich gehört als großen Spaß mit Travestie, Lack & Leder, peinlicher Polonäse, teils geschmacklosen, immer aber coolen Kostümen (Alfred Mayerhofer). Eine Screwball-Comedy mit vielen Türen, Running-Gags und Slapstick. Allein bei der großen balkanesken Folklore-Szene, gipfelnd im Vilja-Lied, weicht die Ironie einer sanften Sentimentalität. Dabei fehlt es der „Witwe“ nicht an wienerischer Herablassung gegen das unabhängige Fürstentum Montenegro, das ein paar Jahre später im Ersten Weltkrieg auf der anderen Seite stehen wird.

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Chor der Oper Köln, John Heuzenroeder, Elissa Huber © Matthias Jung

Chor der Oper Köln, John Heuzenroeder, Elissa Huber. Foto: © Matthias Jung

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Adrian Eröd, einer der besten und erfahrensten Baritone Wiens, spielt den Grafen Danilo als leicht abgehalfterten, aber liebenswerten Lebemann. Seine Textverständlichkeit und melodische Gestaltung sind vorbildlich, allein beim „Lippen schweigen“-Duett fehlt ihm die Süße, die Elissa Huber als Hanna Glawari mitbringt. Die deutsche Sopranistin mit Musical-Erfahrung ist eine sinnliche Witwe, die sich ohne forcieren zu müssen an die Spitze von Chören und Ensembles setzen kann. Claudia Rohrbach verdient als liebeshungrige Botschaftergattin besondere Erwähnung. Andrea Sanguineti steht mit dem Gürzenich-Orchester weit oben. Der Italiener hat in Genua, Wien und Milano studiert, ist seit dieser Spielzeit neuer GMD in Essen und nimmt die Zügel fest in die Hand. Wie schön, dass die gesamte Produktion musikalisch mit der gleichen Ernsthaftigkeit realisiert wird, mit der auch Lehár seine unsterblichen Melodien drechselte. Was aber wäre eine Operette ohne ein Rudel geschlechtsfluider Tänzerinnen und Tänzer, die revuehaft durch die Produktion toben, sich allenthalben umziehen und schließlich sogar singen? Die Choreografie von Christoph Jonas macht den Spaß der „Lustigen Witwe“ komplett.

Dass es im Libretto nicht Montenegro, sondern Pontevedro heißt, verdanken wir den Wiener Zensoren, die es weniger konkret haben wollten. Heutige Diversity-Reader würden statt dessen den „Weiber-Marsch“ aufspießen. Dessen Sexismus befremdet zwar ebenso wie der der „Zauberflöte“, ist aber, anders als bei Schikaneder, nicht ernst gemeint. Mottl ergreift die Flucht nach vorne, garniert das Ensemble mit Staubsauger-Mädels in knallgelben Miniröcken, bevor Hanna Glawari ihren Danilo nachsichtig tadelt, was er denn da für einen Unsinn sänge. Den wenigen Buhrufern in der dritten, ausverkauften Aufführung am 10. Dezember sei gesagt: Das war frech. So muss Operette sein.

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