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Foto: Jörg Landsberg
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Wie ein Sog – Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“ am Theater Bremen

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Man kann das schon nachvollziehen: Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky, sogar Anton Webern bescheinigten dem jungen Erich Wolfgang Korngold, ein Genie zu sein. Man kann aber auch nachvollziehen, dass der nach Amerika emigrierte Komponist, der dort erfolgreich als Filmkomponist arbeitete, nach seiner Rückkehr nach Europa 1949 keine Chancen mehr hatte und tief enttäuscht nach Amerika zurückging, wo er 1957 starb. Jetzt hatte seine 1920 uraufgeführte und an achtzig Bühnen nachgespielte Oper „Die tote Stadt“ am Theater Bremen eine bejubelte Premiere.

Generalmusikdirektor Yoel Gamzou konnte die Lebensfähigkeit dieser schon damals eher anachronistischen Musik mit einem glutvollen und leidenschaftlichen Einsatz nachweisen, dem das Orchester wunderbar folgte. In einer Zeit, die sich in Bezug auf die Tonalität im Umbruch befand, reizt Korngold diese in der Nachfolge von Richard Strauss und Giacomo Puccini bis an die Grenzen aus und gewinnt ihr einen unwiderstehlichen Sog ab. Mit mitreißender Wucht und zärtlicher Farbigkeit zelebrierte Gamzou die eher befremdliche Geschichte des Künstlers Paul, der Reliquien wie Haare und Schal seiner toten Frau in der „Kirche des Gewesenen“ pflegt.

Dazu setzte er zusammen mit dem Bühnenbild (Martin Wehrtmann) das Orchester auf die Bühne, die in gewölbtem Halbrund so eine Art Kirche bildet, in der vier lebensgroße Skulpturen der toten Marie stehen, knien und liegen. Davor steht Paul, er muss gar nicht spielen, er muss nur erstarrt stehen. Das macht der Gast Karl Schineis überzeugend und findet berückende Töne für seinen Part mit dem regelrechten „Schlager“ am Ende „Glück das mir verblieb“. Wer lebt in diesem Todesstück, ist die Tänzerin Marietta, in die Paul sich verliebt, sieht sie doch seiner toten Marie so ähnlich. Marietta liebt ihren Beruf, ihre Tanztruppe bevölkert bedeutungsvoll einige Szenen. Eine neue große Rolle für Nadine Lehner, die dem Publikum einen ungemein facettenreichen Wirbelwind von Leben-Wollen präsentiert: die Oper sollte „Marietta“ heißen. Zum spielerischen und sängerischen Höhepunkt gerät der Mord an Marietta, zu dem Paul regelrecht provoziert wird: hier erreicht die Kunst Nadine Lehners ihre stärkste Kraft. Auch Birger Radde als Frank findet viele Zwischentöne, steht er doch der Trauerwelt seines Freundes Paul ebenso nahe wie seiner Sehnsucht nach Leben und Liebe. In seiner großen zentralen Arie findet er zum ergreifenden Nachdenken. Die Haushälterin Brigitta verlässt Paul und widmet sich Kindern, die ihre religiöse Erziehung brav vorstellen (intensiv Nathalie Mittelbach).

Oft sieht man in Operninszenierungen zu viel an gut gemeinten Videos. Auch der Regisseur Armin Petras arbeitet hier mit Videos, deren Spannung mit der Technik der Zeitlupe hergestellt wird: Marietta, Marie am Steuer: hier erklärt ein schwerer Autounfall den Tod von Marie. Gut, aber auch manchmal etwas zu viel, denn es droht, die Musik zur filmischen Untermalung zu degradieren.

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