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Lohengrins letzte Runde. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath.
Lohengrins letzte Runde. Foto: Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath.
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Wie gemalt – Ring-Atempause bei den Bayreuther Festspielen: Der aktuelle „Lohengrin“ geht in seine letzte Runde

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Da es abgesehen von den (noch nicht geklärten) #MeToo-Vorwürfen nichts wirklich Skandalträchtiges von Bayreuth zu berichten gab, reichte der Presse vor Ort ein aufgeregter Generalprobenbesucher, um den Schluss von „Lohengrin“ dazu zu machen. Klaus Florian Vogt hatte den Brabantern den Herzog Gottfried als „Führer“ präsentiert, wie es bei Wagner im Libretto steht. In der Vorstellung, mit der die Schlussrunde der von Malerstar Neo Rauch dominierten Regie von Yuval Sharon begann, wurde Gottfried dann aber zum vielerorts eingebürgerten, weniger toxischen „Schützer“.

Wir leben halt in Zeiten eines eskalierenden Korrektheits- und Korrektureifers. Der meint offenbar, die Wagner-Gemeinde 2022 davor schützen zu müssen, dass bei Wagner ein geheimnisvoller Ritter einen Knaben als „Führer“ vorstellt – weil sich lange nach Wagners Tod sein Fan Hitler mit diesem Titel ins Gedächtnis ganzer Generationen einbrannte. Ein sensibles Thema ist die NS-Zeit aber natürlich in Bayreuth, wo Hitler einst gern von einem Fenster des Festspielhauses winkte und sich von der Festivalleitung hofieren ließ. Die heutige Intendantin Katharina Wagner verwendete in ihrer „Lohengrin“-Regie jedenfalls die Variante „Schützer“ und hat das auch für ihre Neuinszenierung in Barcelona geplant.

Man mag die Wortkorrektur in diesem Ausnahmefall als berechtigt ansehen, kann dem Ausweichen auf „unbelastete“ Vokabeln generell aber mit einer gewissen Skepsis gegenüberstehen: Wie soll man sich mit dem Bösen oder Fragwürdigen auseinandersetzen, wenn es nicht mehr benannt werden darf? Durchkorrigierte, sprich -zensierte Texte, gar Dichtung kann niemand im Ernst wollen.

Von außen betrachtet wirkte das kleine Vorfeldspektakel ein wenig so, als wollte man dem Hause Wagner heimzahlen, dass es selbst keine eigenen Skandale mehr liefert, sondern sich aufs „Hier gilts der Kunst“ konzentriert.

An die meisten offenen Fragen der Inszenierung haben sich die Zuschauer gewöhnt. Oder daran, sie zu übersehen. Die Brabanter, der König und seine Leute haben eben Insektenflügel, stehen vor allem rum und machen alberne Bewegungen. Die männlichen Flügelwesen suchen sich die an den Händen gefesselten weiblichen aus und schleppen sie ruppig ab. Lohengrin fragt im orangenen Trafohäuschenschlafzimmer Elsa, ob sie glücklich ist und fesselt sie eben dabei. Die heikle Passage mit dem Deutschen Schwert und dem Feind aus dem Osten hat es (leider), dank Putin, von der Peinlichkeit zu nicht mehr für möglich gehaltener Aktualität gebracht.

Musikalisch ist das Ganze ein Schmuckstück. Christian Thielemanns Dirigat war oft getragen, auch auftrumpfend, spannend und fein ausbalanciert. Wagner wie er sein sollte und in Bayreuth tatsächlich auch sein kann. Er war der Star des Abends. Dicht hinter ihm Publikumsliebling Klaus Florian Vogt. In seiner Lebensrolle ist er ist immer noch unübertroffen, mit Camilla Nylunds als kraftvoll innige Elsa an seiner Seite. Georg Zeppenfeld ist ein Muster an König. Bei Petra Langs Ortrud ist der Glanz im Furor merklich getrübt. Ihren Telramund (solide) Martin Gantner konnte sie aber immer noch einwickeln. Beachtlich mit seiner markigen Präsenz der Herrufer Derek Welton.  Der Chor war vokal wunderbar einstudiert.

Jubel für alle. So ist das in Bayreuth.

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