Hauptbild
Corby Welch (Lohengrin), Elizabeth Llewellyn (Elsa) sowie Opernchor Theater Magdeburg und Mitglieder der Magdeburger Singakademie. Foto Nilz Böhme
Corby Welch (Lohengrin), Elizabeth Llewellyn (Elsa) sowie Opernchor Theater Magdeburg und Mitglieder der Magdeburger Singakademie. Foto Nilz Böhme
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Wo ist Kugel? – Die Oper Magdeburg eröffnet die Spielzeit mit Richard Wagners „Lohengrin“

Publikationsdatum
Body

Wagners „Lohengrin“. Ein Schmuckstück! Ziemlich romantisch. Wann kommt schon mal der Ritter in der Not genau zum richtigen Zeitpunkt? Und das nicht nur als der Retter, sondern gleich noch als Mann für eine Liebesheirat, bei der das ganze Land aus dem Häuschen ist? Bei der brabantischen Prinzessin Elsa und dem Ritter, der mit dem Schwanenboot aus dem Nichts kommt, ist das so. Einziger Haken: er will inkognito bleiben.

Dass das Ortrud und ihrem Friedrich Telramund nicht passt, ist nachvollziehbar, da die beiden selbst auf die Macht scharf sind. Hinzu kommt das Rasseln des Königs mit dem „deutschen Schwert“ gegen die Gefahr aus dem Osten. Und nicht zuletzt Lohngrins Abschiedsgruß, der der verdutzten Menge bei seiner unfreiwilligen Abreise, Elsas tot geglaubten Bruder als neuen „Führer“ präsentiert. Vom Blatt weg kann man das eigentlich nicht (mehr) inszenieren…. 

Doch zuerst kommen die musikalischen Hürden: Gelingt das Vorspiel aus dem Nichts? Und entfaltet es sich wirklich so sphärisch silbrig, dass jedes Dazwischenhusten wir pure Barbarei klingt? Hört man vor Elsas „In lichter Waffen Scheine ein Ritter nahte da“ wirklich jene pp Trompeten aus dem Graben, die Thomas Mann als Gipfelpunkt der Romantik bezeichnete? Schafft es der Lohengrin in seiner Monsalvat-Erzählung am Ende, sich als eloquenter und traurig strahlender Wagnertenor zu präsentieren, der den Saal in atemlose Stille bannt, bis er endlich allen sagt, wie er heißt? Neben dem Getöse des Chores, den martialischen Sprüchen des Königs und seines Sprechers, der Ritter– und Retter-Gläubigkeit der schwer verleumdeten Elsa, dem Hoppla-Hier-bin-ich Wunder des Ritters, der mit dem Schwan kommt und dem intriganten Auftrumpfen von Ortrud und ihres – nun ja – Werkzeuges Telramund, gibt es all diese Verabredung mit den traumschönen Stellen im Lohengrin.

Und da sind sie wirklich gut in Magdeburg. Titus Engel, der sein Handwerk bei Christian Kluttig an der Hochschule für Musik Dresden erlernte, seine internationalen Meriten aber weit jenseits romantisierender Wagnerei verdient hat, inspiriert die Magdeburger Philharmonie zu einer Glanzleistung. Daran, dass er manchmal einem Ton eine Spur zu sehr nachlauscht, und den allzu deutlichen Akzent offenkundig meiden will, gewöhnt man sich. Und darüber, dass mit dem Blech in der populären Brautgemachszene die Blaskapellen-Pferde durchgehen, kann man sich eher amüsieren. Insgesamt würde dieser Orchesterklang bei einem Augen-zu-Test mit Bravour bestehen!

Da es das ideale Lohengrin-Ensemble in jeder Position, nicht mal in Bayreuth gibt, kann man zufrieden sein, wenn die vokale Hauptlast des Abends in den richtigen Kehlen liegt. Man darf jubeln, wenn eine differenzierte Ensemble-Leistung von einem Elsa-Debüt wie dem von der in London geborenen Elizabeth Llewellyn überstahlt wird. Eine betörend leuchtende Stimme, die perfekt zwischen zarten Traumtönen und müheloser Kraft wechselt und obendrein eine mustergültige Diktion bietet. Den Namen muss man sich merken. Corby Welch hat für seinen Schwanenritter ein erstklassiges trompetenklares Aufstrahlen zur Verfügung, dem er manchmal eine Überdosis Kraft verpasst, die gar nicht nötig wäre. Bei der Gralserzählung ist man fast froh darüber, denn da ist der Saal zwar absolut still, doch auf der Bühne rumpelt die Drehbühne ohne Erkenntnisgewinn vor sich hin. Man sollte sich wirklich überlegen, ob man das nicht noch im Nachhinein ändert. Johannes Stermann hat zwar seine Fangemeinde, ist als König gleichwohl eher nasal und etwas fahl. Auch Peter Bordings Heerrufer wünscht man sich mit klarerer Diktion. Roland Fenes geht beim Telramund bis an seine Grenzen, während Undine Dreißig mit ihrer fulminanten Ortrud mustergültig vorführt, wie man sich eine Rolle ohne Wackelei in der Intonation (wie ihr Bühnengegner Lohengrin) anverwandelt und mit Bravour einen dunklen Gegenpart zu all der Ritter- und Jungfrauen-Unschuld aufbaut, die die anderen umweht.

Und die Inszenierung von Andreas Baesler? Sein Bühnenbildner Harald Thor (eigentlich ein Spitzenmann seiner Zunft) hat alles eingemauert in ein halbrundes Geschichts-Memorial. Moderne Sitzmöbel, aber sonst demonstrativ imperiale Kühle. Drinnen ein weiteres Mauerhalbrund auf der reichlich rotierenden Drehbühne für die Szenenwechsel. An den Wänden immer mal ein markiges Textzitat. Oben hat der Raum ein riesiges Loch. Doch der in Silber verpackte Ritter fällt nicht vom Himmel, sondern kullert sich eher beiläufig aus einer riesigen Kugel. Die Kugel als Gralswunder vertretungshalber. Luftbildaufnahmen zum Einstimmen der Brabanter auf den Krieg, die leibhaftige Erscheinung Gottfrieds mit einem Arm als Schwanenflügel und ein am Ende vom Notwehrmord torkelnder Lohengrin. Viel mehr ist nicht. Polit- oder Psychokrimi geht anders. Beispiele dafür gibt es im Halbdutzend. Der Rest ist Auf- und Abmarschieren des albern kostümierten Fußvolkes, viel Rumstehen und szenische Langeweile.

Zum Glück wird gesungen.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!