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Foto: Mozartfest Würzburg/Kathrin Belke

Auch am letzten Tag des MozartLabors darf das nicht fehlen, wofür das alles getan wird: Musik. Hier mit dem KI-Video bei der Abschlusspräsentation der Sektion „Musik und Video“, live performt von (v.l.n.r.) Sektionsleiter „Kammermusik“, Geiger und Komponist Florian Willeitner sowie Marlene Penninger und Patrizia Batik als Stipendiatinnen der Sektion „Kammermusik“. Foto: Mozartfest Würzburg/Kathrin Belke

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Wo junge Menschen die Zukunft der Klassik gestalten

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Das MozartLabor des Mozartfest Würzburg: ein ganz besonderes Format zwischen Meisterkurs, Workshop und Thinktank
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Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Labor“ hören? Wahrscheinlich zunächst an einen Raum voller Reagenzgläser und Mikroskope, in denen verschiedene Substanzen gemischt und untersucht werden, um neue Entdeckungen zu machen. Doch der Begriff „Labor“ lässt sich viel weiter fassen. Auch in der Kunst und der menschlichen Seele kann ein Labor existieren. Ein besonderes Beispiel hierfür ist das MozartLabor, ein innovatives Stipendiat*innenprogramm des Würzburger Mozartfestes.

 

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Mozart setzte seine kreative Energie ein, um mit Tönen und Harmonien die tiefsten Ebenen menschlichen Daseins zu erforschen. Seine Kompositionen sind künstlerische Expeditionen in die Menschlichkeit, reflektieren Freude und Trauer, Liebe und Verlust, Hoffnung und Verzweiflung und geben die entsprechenden Möglichkeiten, über unser Sein nachzudenken. Und genau das ist es, was auch das MozartLabor bewirken möchte: An diesem Ort kommen junge Denker*innen zusammen, um gemeinsam in nach Fachbereichen und Themen aufgeteilten Sektionen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen und offenen Proben fünf Tage lang workshopartig über die Rolle der Kunst in der Gegenwart nachzudenken. Es ist ein Raum, in dem die Grenzen zwischen Disziplinen verschwimmen und es teils gelingt, Musik ganzheitlich zu betrachten. Das elfte MozartLabor eröffnete so zum wiederholten Male einen Raum, in dem Mozarts Werk als Ausgangspunkt für eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit aktuellen künstlerischen und gesellschaftlichen Fragen dienen konnte.

Sieben Musik-Perspektiven

„Wir haben hier ein Laboratorium aufgemacht, um eben in die Tiefen zu steigen, um zu experimentieren. Es ist der Versuch, Mozart noch weiter auf die Spur zu kommen, als das, was wir glauben zu wissen“, wie Evelyn ­Meining, Intendantin des Mozartfestes im Interview erzählt. In diesem Jahr stand dabei alles unter dem Motto „Schuld & Vergebung – Seelenforscher Mozart“, um den vielschichtigen Beziehungen zwischen Ästhetik und aktuellen politischen Fragen nachzugehen. Auch wenn Mozarts Repertoire aus heutiger Perspektive ein Fall für die Traditionspflege ist, bereicherte er die Wiener Klassik durchaus mit epochalen Neuerungen. So standen beim MozartLabor ebenfalls neue Konzertideen, innovative Darstellungsformen im Journalismus sowie die bedeutende Rolle von Künstlicher Intelligenz im Vordergrund der Nachwuchsdenker*innen – eben, um den Traditionalismus anzunehmen, dabei aber auch neue Wege zu entdecken. 

All dies galt es, in den sieben Sektionen mit knapp 40 Stipendiat*innen aus ganz verschiedenen Perspektiven zu erforschen. Denn nur so wird das MozartLabor zu einem lebendigen Treffpunkt, an dem das kollektive Wissen und die kreative Energie zusammenfließen können, um neue Perspektiven und Einsichten zu gewinnen. Jede Sektion verfolgte dabei ihre eigenen theoretischen und praktischen Ziele und stellte sich ganz unterschiedlichen Herausforderungen:

Die Zukunft von Opernleben und -strukturen

Für die Sektion „Karriereplanung Oper“ hieß es in der Ausschreibung entsprechend: „In Zeiten multipler Krisen und gesellschaftlicher Spaltung wohnt der Kunstform Oper als interdisziplinärer, synästhetischer Kunstform einerseits in besonderer Weise ein großes Potenzial als künstlerische und gesellschaftliche Relevanz inne, andererseits gerät sie als kostenintensiver Betrieb unter besonderen ökonomischen Druck mit möglicherweise gravierenden strukturellen Änderungen.“ Vor diesem Hintergrund standen für die Stipendiat*innen dieser Sektion ein persönlich-praktischer und ein allgemein-struktureller Fragenkomplex im Fokus. Im Praktischen ging es um die individuelle Vorbereitung auf die zukünftigen Herausforderungen der Opernwelt während des Gesangsstudiums: Wie bereite ich mich heute professionell auf die Anforderungen verschiedener Opernwelt­szenarien von morgen vor? Dozent und Operndramaturg Heribert Germeshausen widmete sich den damit verbundenen Fragen sehr intensiv und persönlich, wie eine Teilnehmerin beim Abendessen berichtet: „Wir saßen gestern noch lange zusammen und haben bis Mitternacht ausführlich über unsere individuellen Berufswege gesprochen.“

Um für die eigene Karriere das entsprechende Verständnis des Opernbetriebes zu bekommen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass nur etwa zehn Prozent der Absolvent*innen feste Ensemblemitglieder werden, während die übrigen neunzig Prozent im freien Markt bestehen müssen – befasste sich die Sektion aber ganz explizit auch mit den allgemein-strukturellen Begebenheiten „der anderen Seite“: Die Herausforderungen der Spielplanung für Opernhäuser.

Die Zukunft des Konzerts

Da zeigte sich der Sektionsgruppe, dass es bei dieser Planung mit Forderungen nach verschiedenen Aufführungsformen, Spielstätten, der Anpassung an die städtischen Gegebenheiten, Budgetanforderungen sowie der Kontrolle über das Musiker*innen-Kontingent ganz schön viel zu beachten gibt. Dieser Perspektivenwechsel bot den Stipendiat*innen wertvolle Einblicke und ermöglichte es ihnen, die Opernwelt von einer ganz neuen Seite zu betrachten – und vielleicht auch ein ­anderes Verständnis für ihre eigene Karriere zu entwickeln?

Neben den verschiedenen Aspekten, die es in einem Spielplan zu beachten gibt, stellen sich im Programm aber natürlich auch ganz neue Herausforderungen: Immer weniger Menschen können sich für klassische Musik begeistern. So ist die Frage nach einem zukunftsfähigen klassischen Konzert so aktuell wie noch nie.

Die Sektion „Konzertdesign“ unter der Leitung von Ivan Turkalj setzte genau da an. Völlig unabhängig von Konventionen sollten die Teilnehmer*innen ein neuartiges performatives Konzertprojekt für das Würzburger Mozartfest 2025 entwickeln. Die genaue Konzertidee soll natürlich noch nicht verraten werden und wird in den kommenden Monaten auch noch immer weiter konkretisiert, aber so viel sei gesagt: Das Motto von Evelyn Meining – „Alles beginnt und endet mit Mozart.“ – soll wie ein Heiligenschein über dem Konzert schweben, in dem ganz viele neue Klänge entdeckt werden dürfen. Gleichzeitig wird das Konzept eines klassischen Konzertes aufgehoben, die Menschen in das Bühnengeschehen mit eingebunden und die verschiedenen Räumlichkeiten des Ortes als Wandelkonzert genutzt. 

Künstlerische und Künstliche Intelligenz

An dieser Stelle wurde auch die nächste Sektion „Musik und Video“ unter der Leitung von Karsten Prühl mit einbezogen. Auch die Aktualität dieser Sektion ist unbestritten. Multimedialität ist Mode und gleichzeitig gilt: „Die Kreation von Videoinhalten als Erweiterung einer musikalisch-künstlerischen Erfahrung war noch nie so einfach wie heute.“, wie es in der Ausschreibung des Labors zu lesen war. Die Teilnehmer*innen beschäftigten sich daher intensiv mit verschiedenen Foto- und Video-KIs und überlegten, wie man diese passend in ein Konzertkonzept einbinden kann. Sie erstellten KI-Videos aus Fotos oder Texten und ließen selbst gedrehte Videos von der KI graphisch verändern. Auch ohne Budget kam die Sektion so zu einem erstaunlichen Ergebnis: ein vierminütiges KI-Video passend zu einer Komposition von Florian Willeitner,  welches das Publikum bei der Abschlussvorstellung so richtig in den Bann zog.

Die weiteren Sektionen „Oper und Stimme“ (Leitung: Christophe Rousset, Clarry Bartha), „Kammermusik“ (Leitung: Florian Willeitner) und „Musikwissenschaft“ (Leitung: Hansjörg Ewert) wurden nicht öffentlich ausgeschrieben. Hier kamen ausgewählte Studierende zusammen, um gemeinsam das Abschlusskonzert im Kaisersaal der Residenz Würzburg zu gestalten. Während die Musikwissenschaftler*innen dabei die richtige Wortwahl für die Programmhefttexte verhandelten, ging es bei den Sänger*innen um die Vermittlung des passenden Gefühls für die jeweiligen Opernstellen und bei der Kammermusik-Sektion um neue Ausdrucksformen in der Musik – beispielsweise das Erforschen von Improvisation auf der „klassischen“ Bühne.

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Symbiosen

Und damit die Arbeiten und Ideen dieser wunderbaren Sektionen auch über das jeweilig anwesende Publikum hinauswirken können, hat das Karlsruher Institut für Musikjournalismus mit ihren Bachelorstudierenden des vierten Semesters eine weitere Sektion gebildet. Hier lag unter der Leitung von Karsten Kurowski die Aufgabe der Studierenden darin, das MozartLabor in all seinen Facetten filmisch festzuhalten und dabei bei den vielen Veranstaltungen und dem ganzen technischen Equipment nicht den Überblick zu verlieren.

Die vier Tage voller Begegnungen, Diskussionen, Professionalisierungen und damit verbundenen Erkenntnissen stehen also sinnbildlich für die Verschmelzung von Formen der Musik, Wissenschaft und dem künstlerischen Forschen. Eine Symbiose, die nicht nur das Vergangene ehrt, sondern auch den Weg in eine reflektierte und verantwortungsvolle Zukunft weist. Das Festival bietet hier einen Raum für Experiment und Erkenntnis, in dem – im wahrsten Sinne eines „Mozart-Labors“ – die „alchemistische“ Kraft der Musik die menschliche Seele berühren und erleuchten soll und den Stipendiat*innen einen neuen Blick auf sie selbst und die verschiedenen Kulturbereiche schenkt.

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