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Šiškovs Erzählung als Kulminationspunkt: Antonio Yang in Leoš Janáčeks „Aus einem Totenhaus“ am Staatstheater Nürnberg. Foto: Ludwig Olah
Šiškovs Erzählung als Kulminationspunkt: Antonio Yang in Leoš Janáčeks „Aus einem Totenhaus“ am Staatstheater Nürnberg. Foto: Ludwig Olah
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Zerborstene Hoffnungen: „Aus einem Totenhaus“ von Leoš Janáček am Staatstheater Nürnberg

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Trotz Calixto Bieitos bloß routiniert drastischer Inszenierung und des etwas pauschalen Dirigats von Marcus Bosch entfaltete Leoš Janáčeks Anti-Oper „Aus einem Totenhaus“ am Staatstheater Nürnberg ihren einzigartigen Sog. Juan Martin Koch berichtet.

Leoš Janáčeks letztes Musiktheaterwerk „Aus einem Totenhaus“ von 1928 ist eine der radikalsten Anti-Opern der Musikgeschichte. Als reines Männerensemblestück verweigert es sich allen hergebrachten operndramaturgischen Klischees und verwandelt Dostojewskis Romanvorlage in ein kompromissloses Porträt geschundener Körper, geschundener Seelen.

Bei aller Härte, mit der Janáček den Alltag im Sibirischen Gefangenenlager als kollektives Elend beschreibt, lenkt seine oft schmerzlich aufblühende Musik den Blick aber immer wieder auch auf das Individuum, auf das menschliche Einzelschicksal, das er schlaglichtartig, doch mit großer Empathie erhellt. Genau hier liegt die Schwäche von Calixto Bietos Zugriff auf das Werk, das er – eine Zweitverwertung seiner Baseler Regiearbeit von 2009 – nun auch am Staatstheater Nürnberg inszeniert hat. Der katalanische Regisseur interessiert sich vor allem für die omnipräsente Brutalität im Lager, sei es nun die der Sträflinge untereinander oder die von den Wärtern ausgehende. Den sexuellen Ausnahmezustand deutet er durchaus plausibel in einen homoerotischen um; die einzige von Janáček vorgesehene Frauenpartie wird zum Stricher.

Bei aller routinierten Drastik, mit der Bieito die Männer übereinander herfallen und sich an einer derb-zotigen Don-Juan-Pantomime erfreuen lässt, geht ihm in der gewalttätigen Daueraktion allerdings der detaillierte Blick für die einzelne Figur verloren. Die konzentrierte Ausdrucksdichte jener Momente, in denen etwa Luka (Tilmann Unger) oder Skuratov (Edward Mout) aus ihrem Leben vor der Inhaftierung erzählen, kann sich kaum entfalten. Das mag die Vergeblichkeit dieser kurzen Erinnerungsphasen illustrieren, Janáčeks grandioser Musik wird es nicht gerecht.

Generalmusikdirektor Marcus Bosch und die Staatsphilharmonie machten vom ersten Ton an klar, wie ernst und genau sie es damit nehmen wollten. Das von Bieito überzeugend skizzierte Eröffnungsbild – ein trostloser Fußballkick in der Pfütze – fand hier seine tönende Entsprechung. Mit kantiger Intensität bohrte sich der Streicherklang in den Raum, die Bläserpräsenz war mit Händen zu greifen. Eine größere dynamische Bandbreite, vor allem in leisere Bereiche hinein wäre allerdings wünschenswert gewesen und hätte jenen Sängern gut getan, die sich nicht so selbstverständlich gegen das orchestrale Hyperespressivo durchsetzen konnten wie der fabelhafte Antonio Yang. Seiner Gestaltungskraft war es zu verdanken, dass sich die große Erzählung des Šiškov im dritten Akt zum Kulminationspunkt des ganzen Abends steigerte.

Von einer stärkeren orchestralen Differenzierung hätte zum Beispiel der darstellerisch starke Cameron Becker als Aljeja profitieren können. Bei Bieito steht der junge Mann für die Hoffnung auf Freiheit. Sie zerbirst wie das Modellflugzeug, das ein Aufseher ihm kaputt haut. In der echten Propellermaschine – sie beherrscht die Bühne ab dem zweiten Akt – wird Aljeja von Mithäftlingen vergewaltigt. Der Neuankömmling Petrovič (Kay Stiefermann), der ihn unter seine Fittiche genommen hatte, wird schließlich nicht wie bei Janáček vorgesehen entlassen, sondern erschossen. 

Am Ende der pausenlosen, trotz einiger Mängel einen beinahe körperlich spürbaren Sog entwickelnden Aufführung ernteten der ausgezeichnete Chor und das beachtliche Sängerteam zu Recht Ovationen. Marcus Bosch musste einen einzelnen, dafür kräftigen Buhruf hinnehmen, Bieito und sein Team umtoste der gewohnte Sturm aus Zustimmung und Ablehnung.

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