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Foto: Theater Nordhausen
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Zwischen Kitsch und Emphase moussierendes Werk

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„Der Zarewitsch“ am Theater Nordhausen: Soviel Routine verdient dort niemand!, meint Roland H. Dippel.

Es war einfach schön: Beim Blick nach oben kein Rang geschlossen, das Theater gleichmäßig und fast vollständig besetzt zur zweiten Vorstellung nach der Premiere. Das ist selbst bei ganz hochwertigen Produktionen in Mitteldeutschland nicht die Regel. Und ausgerechnet im abgelegenen Südharz und Nordthüringen findet sich ein seinem Theater herzlich zugetanes Publikum, das in das Applaus-Staccato zum Schluss viel Wärme legt. Dafür hätte es eine mit mehr Aufmerksamkeit und Liebe zum Detail einstudierte Produktion von Lehárs gar nicht so einfachem „Zarewitsch“ verdient.

Geschmeidig wie eine Gazelle verbeugte sich Kapellmeister Michael Ellis Ingram nach dem traurigen Finale und der Reprise vom „schönen Frühling mit dem – ach! - nur einem Mai“. Diese Wendigkeit hätte man auch seinem Dirigat gewünscht, denn Rubati, Ritartandi, kammermusikalische Auflichtungen und im Äther verschwirrende Streicherklänge haben schon manche hausbackene Lehár-Aufführung beflügelt und veredelt. Hier blieb leider alles am Boden der Tatsachen, weil das Loh-Orchester Sondershausen an diesem Abend nicht den filigranen Zugriff für die zarten, schwelgerischen und handfesten Kantilenen hatte. Sehr schade angesichts des Nordhausener Ensemblepotentials!

Holger Potocki verließ sich rundum auf seine Kenntnisse der Aufführungsgeschichte und versuchte gar nicht erst die künstlerische Überhöhung. Seine Regie zeigt ebenso wenig Akkuratesse, hat wenig Willen zur Menschengestaltung. Dafür viele weiße Uniformen und Roben (Kostüm: Elisabeth Stolze-Bley), dahinter Wände im bewährten Neurokoko, himmelblauer Hintergrund und ein überlebensgroßes Zarenporträt mit Goldrahmen (Bühne: Lena Brexendorff). Klar, die Geschichte vom misanthropischen Zarewitsch Aljoscha, dem erst die Tänzerin Sonja zur aktiven Desensibilisierung zugeführt und dann aus Gründen der Staatsraison wieder entzogen wird, hat nicht umsonst den Genretyp-Namen „Entsagungsoperette“ mitgeprägt. Doch heißt das noch lange nicht, dass das Publikum einer subtilen Gestaltung dieses recht verwegen zwischen Kitsch und Emphase moussierenden Werks entsagen muss. An der Musikalischen Komödie Leipzig hatten da vor einigen Jahren Roland Seifferts musikalisches Können und Volker Vogels gar nicht so abgestumpfte Spielleitung eine größere Reibungswärme erzeugt.

Irgendwer hätte nicht nur Jan Navotnys gar märchenhafte Prinzenattitüde individualisieren und diesem vermitteln können, dass auch andere vokale Mittel als inflationär verströmender Tenor-Edelschmelz zur Charakterisierung möglich sind.

Thomas Bayer als Großfürst, der die politischen Fäden zieht, ist ausnahmsweise nicht der einfarbige Grandseigneur. Katharina Boschmann als Zofe Mascha hat Reserven mit ungenutzten Energien. Marian Kalus als Leiblakai Iwan ebenfalls, zeigt sich aber nicht ganz pointensicher. Der Nachtanz zum „Abend mit der schwachen Stund‘“ ist eher ein Posieren (Choreographie: Julia Ebnother) und die Chorszenen etikettengerecht steif (Chorleitung: Markus Popp).

Désirée Brodka als Sonja und First Lady in Herz und Schlafzimmer des Zarewitschs hat sich die nicht ganz einfache Léharsche Edelpartie der Sonja tief ins Herz und die Stimme gesenkt: den lyrischen Überschwang, die Verheißung von Erfüllung im Piano und den verlöschenden Hauch der Resignation. Das alles könnte sie ebenso gut darstellen, kämpft aber in diesem Ambiente auf verlorenem Posten.

Das Theater Nordhausen und das Loh-Orchester Sondershausen trotzen mit einem gut dosierten Premierenangebot, auch für Großstädter spannenden Konzertprogrammen und zwei Auftragskompositionen in dieser Spielzeit den erneut drohenden Einsparengpässen durch die Thüringische Regierung. Allerspätestens ab 29. April 2016 gibt es dann das nächste überregionale Highlight mit der deutschen Erstaufführung von Boublils und Schönbergs Musical „The Pirate Queen“.

  • Termine: 18. Dezember 2015, 24. Januar, 27. Januar, 7. Februar 2016

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