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An dieser Stelle erfolgt ein Vergleich der wichtigsten Musikzeitschriften im Internet – ein Unterfangen mit großem „Hink-Faktor“. Denn die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern sind dermaßen groß, daß im Grunde nur eine Einteilung in „schwarz und weiß“, „gut und böse“ gelingen will. Die Unterscheidung funktioniert damit hauptsächlich über die Frage, ob das Angebot mit Informationen aufwartet und damit vollwertig ist, oder ob es nur als „Appetitanreger“ für die Printausgabe taugt. Man muß den Anbietern natürlich zugestehen, daß es mit einer immensen Arbeit verbunden ist, die Inhalte der Printausgabe ins Netz zu stellen. Und da geht es gar nicht um das Übertragen in ein computergerechtes Format – das erledigen heutzutage schon billigste Software-Produkte. Zuerst geht es um die Frage: „Wie präsentiere ich mein Produkt im Netz?“ Es geht primär darum, wieviel ein Leser zu Gesicht bekommen soll. Auch finanzielle Überlegungen spielen dabei eine Rolle. Denn die Verfügbarkeit der kompletten Ausgabe im Netz ist sicher nicht dazu angetan, neue Abonnenten zu werben.
Bestes Beispiel dafür ist das Angebot der Neuen Zeitschrift für Musik (http://www.schott-music.com/zeitschriften/nzm.htm). Bei solch einem wichtigen Organ der Neuen Musik ist die Erwartungshaltung bei Aufruf der Adresse im Browser natürlich groß. Was sich dann auf den Seiten von Schott präsentiert ist mehr als enttäuschend. Denn das einzige, was sich dem erstaunten Surfer bietet, ist das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe. Zudem kommt der Verdacht von „Unprofessionalität“ auf, wenn man sieht, daß dem Inhalt der aktuellen Ausgabe 5/98 das Titelbild der vorangegangenen Ausgabe zur Seite gestellt wird. Man findet noch ein paar einleitende Worte zum Thema der aktuellen Ausgabe, doch der Rest des Angebots widmet sich der Eigenwerbung. So kann man online gleich einmal ein Abonnement der NZfM bestellen (wie bei fast allen anderen Anbietern auch) oder sich die Preise für Anzeigen in der Printausgabe ansehen. Als einzig Positives ist zu nennen, daß die spärlichen Informationen zumindest zweisprachig verfügbar sind – was keiner der anderen Anbieter aufweisen kann. Enttäuschend ist das zudem, wenn man sich an die herausragende Ausgabe Nr. 2/98 unter dem Titel „Netz-Welt“ erinnert, in welcher zahlreiche gelungene und höchst anspruchsvolle Artikel zum Thema „Musik im Internet“ veröffentlicht wurden. Das Urteil also lautet: beinahe überflüssig . Nach demselben minimalen Strickmuster werden die anderen bei Schott untergebrachten Organe unter http://www.schott-music.com/zeitschriften/index.htm präsentiert. Außer der Inhaltsangabe, der Eigenwerbung und der Möglichkeit des Feedback ist nichts weiter verfügbar.
Vorbildliche nmz im Netz
Als Gegenpol dazu das Angebot der neuen musikzeitung (http://www.nmz.de). Die folgende Beurteilung bekommt natürlich jetzt einen faden Beigeschmack – alles riecht nach Eigenlob, und das stinkt bekanntlich. Doch seien Sie versichert, daß sich der Autor um größtmögliche Objektivität bemüht hat. Man muß es einfach so klar sagen: Das Angebot der nmz hat Ausnahmecharakter. Im Internet ist die komplette Printausgabe mit allen Artikeln, Berichten und Rubriken abrufbar. Zudem bekommt der Surfer über das Archiv der nmz auch noch Zugriff auf die Artikel vergangener Ausgaben. Damit und vor allem durch die komfortable Volltextsuche, die das Auffinden gewünschter Informationen sehr leicht macht, erwächst das Online-Angebot zum unverzichtbaren Besuchsort. Als ob das nicht schon genug wäre, findet der Überraschte zudem aktuelle Nachrichten, den Stellenmarkt, Linkempfehlungen und Wettbewerbe. Besonders ist das Angebot auch deswegen, weil man sich nicht darauf beschränkt, die Inhalte einfach 1 : 1 auf den Computer zu übertragen. Man setzt auch auf moderne Techniken. So kann man sich etwa auf der Informationsseite der Radiosendung taktlos der nmz und des Bayerischen Rundfunks Beiträge der Sendungen über Real Audio noch einmal anhören. Daneben findet man Diskussionsforen, sogenannte Online-Boards, auf denen rege Diskussionen stattfinden sollen – auch als Alternative zu üblichen Feedback-Formen. Daß dieser Service nur äußerst selten genutzt wird, ist nicht der nmz anzukreiden, sondern hängt schlicht mit der hinlänglich bekannten Schreibfaulheit der Internetgemeinde zusammen – im Flirt-Chat macht es halt mehr Spaß. Abgerundet wird das hervorragende Angebot durch die Möglichkeit, sich automatisch über Neuerungen durch eine Mailingliste oder die moderne Active Channel-Technologie von Microsoft informieren zu lassen. Natürlich kann nicht alles perfekt sein. Negativ fällt auf, daß das Angebot nur in deutscher Sprache verfügbar ist und somit etwa 95 Prozent der Internetgemeinde von vorne herein ausgeschlossen werden.
Gelungener Auftritt: Rondo
Der härteste Konkurrent ist Rondo (http://www.rondomagazin.de), das Klassik- und Jazz-Magazin. Wäre das Angebot genauso breit gefächert, wie das der nmz, würde man sich also nicht beinahe ausschließlich auf Tonträger beschränken, wäre das Rennen mit dem Angebot der nmz um Platz 1 sicherlich enger verlaufen. Auch das Rondo-Angebot glänzt durch Präsenz. Da wird nicht nur Appetit gemacht auf ein „Mehr“ in der Printausgabe, sondern Informationen geboten. Und die reichen vom Hauptpart der CD-Rezensionen über Nachrichten und Fernsehtermine bis hin zur kommentierten und am besten gewichteten Linksammlung im gesamten Feld. Auch der optische Auftritt ist gelungen – man bekommt nie dieses Gefühl von Lahmheit, welches des öfteren bei anderen Informationsangeboten leicht aufkommt. Lobend hervorzuheben ist der Zugriff auf das umfangreiche Archiv über gesonderte Listen oder eine Suchfunktion. Als einziger Mitbewerber verfügt Rondo über ein durchdachtes Formular, mittels dessen Feedback stattfinden kann. Hinter dem, was andere Anbieter ebenfalls so nennen, verbirgt sich nämlich meist nur ein Link zu einer speziellen e-mail-Adresse. Die Chance, über ein gezieltes Feedback das Magazin den Kundenwünschen annähern zu können, haben anscheinend nur die Rondo-Verantwortlichen erkannt. Damit ist Platz 2 für Rondo hochverdient.
Knapp dahinter auf Platz 3 rangiert der Auftritt des schweizerischen Magazins Musik & Theater (http://www.musikundtheater.ch). Die allgemeine Präsentation bei diesem Angebot konnte am meisten vor allen anderen durch Übersichtlichkeit und einfache Navigation überzeugen. Genauer: In Sachen visueller Präsentation reicht keiner an das Angebot heran. Es bietet Rezensionen aktueller Ereignisse, leider recht dürftige CD-Besprechungen, Nachrichten, Termine und eine etwas beliebig anmutende Liste mit Linkempfehlungen. Der Zugriff aufs Archiv beschränkt sich auf die Inhaltsangaben vergangener Ausgaben und ist damit nicht sonderlich hilfreich. Und wie die meisten anderen Mitbewerber hält man anscheinend nicht viel vom Meinungsaustausch mit dem Leser – eine Hinweis auf gewünschte e-mail-Einsendungen ist alles zum Thema „Feedback“. Dafür sind die Berichte, Porträts und Rezensionen aber ausführlich und gerade für Nicht-Akademiker interessant zu lesen. Daneben gibt es noch einige Leckereien wie Wettbewerbe und Reiseangebote, und man verläßt doch ganz zufrieden und gut informiert die Website.
Etwas abgeschlagen rangiert das Online Musik Magazin (http://www.omm.de/). Ein wichtiges Kriterium, und zwar die Frage nach Übernahme der Inhalte aus der Printausgabe, kann das OMM gar nicht erfüllen, weil es sich dabei um ein reines Internet-Magazin, ein sogenanntes E-Zine handelt und damit im Feld eine etwas gesonderte Rolle spielt. Die Informationen reichen von Berichten über Rezensionen und Veranstaltungshinweise bis hin zu CD-Rezensionen. Zu loben sind dabei die informativ aufbereiteten Rezensionen – wogegen die Links, obwohl zahlreich vorhanden, so unorthodox innerhalb der Site verstreut sind, daß man schnell den Überblick und sich in ziellosem Klicken verliert. MEduSa, die selbsternannte Wissenschaftsecke, will ihr Geheimnis nicht so recht offenbaren. Denn was sich dahinter verbirgt, sind ein paar Links, Termine und wenige Artikel.
Ärgerliche Appetithäppchen
Dann tut sich ein Loch auf und die Unterscheidung in „schwarz und weiß“ beginnt. Denn das nächste Angebot von Music Manual (http://www.musicmanual.co.at/mm/mmhome.htm ) liegt in der Qualität doch schon ein ganzes Stück hinter den bisher beschriebenen Websites. Das liegt hauptsächlich daran, daß die Artikel des österreichischen Magazins nur verkürzt aufbereitet sind. Und Appetithäppchen verärgern die gebührenzahlende Gemeinde nur. Dabei könnte Music Manual in punkto optischer Präsentation und Angebotsmenge durchaus mit den höher Plazierten konkurrieren. Denn neben besagten „Appetizern“ sind Kurznews und Termine abrufbar. Im Manual Café kann der Besucher seine Meinung zu vorgegebenen Diskussionsthemen abgeben – leider nicht so professionell wie bei der nmz über Messaging Boards, sondern bieder via e-mail. Neben der nmz ist Music Manual das einzige Angebot, das auch über neue Noten berichtet.
Eine Sonderstellung nimmt die englische Zeitschrift Gramophone (http://www.gramophone.co.uk/) ein, da sie sich ausschließlich mit der Besprechung von Tonträgern und der Vorstellung technischen Geräts beschäftigt. Und das können die Gramophone-Autoren auch am besten. Die Site-Inhalte sind etwas beliebig positioniert und das Gefühl von Struktur will beim Surfen einfach nicht aufkommen. Verzweifelt klickt man bald hierhin, bald dorthin. Navigationselemente sucht man vergeblich. Einzig ein alphabetischer Index unterstützt bei der Suche nach Informationen. Das Besondere an diesem Angebot ist aber sein Archiv, das sogenannte GramoFile, das sich jedem kostenfrei öffnet, der willens ist, das Registrierungsformular auszufüllen. So erhält man Zugriff auf unglaubliche 24.000 CD-Besprechungen über eine spezielle Suchmaske. Wieder tut sich eine Lücke auf und es folgt der Wurmfortsatz.
Die Frankfurter Zeitschrift für Musikwissenschaft (http://www.rz.uni-frankfurt.de/FB/fb09/muwi/FZMw.html) findet sich nur so weit unten, weil die Verantwortlichen anscheinend noch nicht begriffen haben, daß die Zeiten der rein textbasierten Unix-Systeme in verstaubten Uni-Computerräumen vorbei sind. Es ist kaum zu glauben, wie unprofessionell man sich am Ende dieses Jahrhunderts trotz unzähliger Software-Hilfen im Internet präsentieren kann. Das ist eigentlich schade, denn die Inhalte an sich sind hervorzuheben, weil sie im Gegensatz zu den meisten Angeboten nicht an den bloßen Musikhörer, sondern vor allem an den Musikaktiven adressiert sind. Der Titel gibt ja an, daß es hier um „ernsthafte“ Auseinandersetzung mit dem Forschungsfeld Musik geht. Doch den Ernst haben die Verantwortlichen allzu ernst genommen. Denn die Aufbereitung der Texte ist streng – nein, noch besser dilettantisch und bieder.
Masche des Köderns
Die Schlußlichter bilden die Angebote von Concerto – Magazin für Alte Musik ( http://mjb-edv.com/concerto/index.html ) und Scala (http://www.klassikopen.de/scala/index.htm). Concerto und Scala verbindet auch die Masche des Köderns. Dabei muß man Concerto noch zu Gute halten, daß es zumindest hier und da Leseproben gibt, man über eine Archiv-Funktion Zugriff auf die Inhaltsangaben vorausgegangener Ausgaben erhält und sogar Termine und Links geboten werden. Der blanke Hohn ist ein Feedback-Formular unterhalb der Abo-Bestellung, in dem der leidgeprüfte Besucher auch noch um seine werte Meinung gebeten wird. Auch stellt sich die Frage nach dem Verbleib von Fono Forum, das bisher anstatt Scala auf den Seiten von Klassik-Open präsentiert wurde – obwohl auch hier nicht viel mehr Infos geboten waren.