Wer ist Rolando Villazón, ein Tenor? Ein Moderator, wie hin und wieder im Fernsehen, mit einer eigenen Reihe „Stars von morgen“ auf arte sowie erst neulich wieder bei der Echo-Vergabe in Hamburg? Ein Karikaturist gar? Rolando Villazón ist alles und noch mehr, Sänger, Filmheld und – ein Poet! Sowohl als Rodolfo in „La bohème“ als auch im richtigen Leben.
Erst im vorigen Jahr erschien der erste Roman des 1972 geborenen Mexikaners, der österreichische Vorfahren hat und heute in Paris lebt. Inzwischen schreibt er am zweiten Buch, schon ist das Debüt „Malabares“ in mehrere Sprachen übertragen worden und liegt nun auch auf Deutsch vor. „Kunststücke“ lautet der treffende Titel.
Kunststücke sind nicht nur die einzelnen Kapitel in diesem Roman, die sprachlich so vielgestaltig sind wie Villazóns Stimme, ein Kunststück ist schon die Geschichte um den Clown Macolieta, der es fertigbringt, im Roman an einem Buch zu schreiben, worin er sich als Clown Balancín noch einmal selbst erfindet. Ein weiteres Kunststück mithin. Stellenweise lesen sich die in Barcelona angesiedelten, mit Ausflügen in clowneske Fantasieweltenferne angereicherten Abenteuer wie eine Parabel des erfolgreichen Sängers aus dessen eigenem Leben. Haben wir es etwa mit Selbstgesprächen Villazóns zu tun?
Eine solche Sicht würde dem Eigenwert dieses Buches nicht gerecht werden, auch wenn sich manche Parallelen zwischen dem Dasein als Clown und als Sängerdarsteller regelrecht aufdrängen, auch wenn über Ruhm debattiert wird, der ebenso als begehrter Partner wie als Angst einflößender Gegner empfunden werden kann. Kein Ziel, sondern nette Folge des Tuns. Als schönes Mittel, um Distanz aufzubauen, lässt der Autor seinen traurigen Helden ständig zu einem blauen Buch greifen, worin der sich die eigene Welt schön schreiben will. Was Villazón à la Macolieta à la Balancín über das Leben als Clown notiert, könnte auch für den Poeten als Sänger gelten: „Der Clown, der du bist, dieser einzigartige, unnachahmliche Clown, wohnt immer schon in dir, du musst ihn nur hervorlocken aus den Tiefen deiner Verwundbarkeit. Clown zu sein ist nichts, was man lernen kann, sondern etwas, das sich zeigt und ins Bewusstsein tritt.“
Wie dieser liebenswerte Held mit seinen Freunden im kleinen gelben Auto durch die Stadt fährt, um auf Kindergeburtstagen für Freude zu sorgen, wie suggestiv diese Touren das „Yellow Submarine“ der Beatles spiegeln und quasi untergründig das Leben der anderen bereichern, während sie selbst von Problemen umgeben sind, das ist eine kostbare Kette von Kunststücken. In philosophischen Triaden verkehren sich Beschreibende und Beschriebene. Ein Vexierspiel mit Witz und Aberwitz. Von diesem Tenor will man gern mehr lesen.
Rolando Villazón: Kunststücke. Roman. Rowohlt, Reinbek 2014, 272 S., € 19,95, ISBN 978-3-498-07065-6