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Bach-Werke-Verzeichnis, Dritte Auflage. Foto: Breitkopf
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Die Aura eines einzigartigen Gesamtwerks

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Das Bach-Werke-Verzeichnis liegt in einer neuen, grundlegend überarbeiteten Fassung vor
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Es ist eine besondere Faszination, die von musikalischen Werkverzeichnissen ausgeht. Ein in seiner Qualität und Wirkmächtigkeit einzigartiges, in seiner Fülle unüberschaubar scheinendes Lebenswerk wird zwischen zwei Buchdeckeln dank Notenincipits auf eigentümliche Weise greifbar und konkret, ohne seine Aura zu verlieren.

Nirgends ist dies wohl deutlicher zu spüren als bei der dritten, erweiterten Neuauflage des Bach-Werke-Verzeichnisses, dessen Kürzel BWV sich seit der Erstausgabe von 1950 wie kaum ein anderes in der Musikwelt etabliert hat. Das beginnt in BWV3 – so die neue Schreibweise – schon auf den 19 Seiten, die dem Hauptteil, dem Thematischen Verzeichnis vorangestellt sind: Was hier unscheinbar und trocken als „Systematische Werkübersicht“ daher kommt, ist nichts weniger als der sprechendste, einleuchtendste und praktischste Überblick zu Bachs Œuvre, den man sich vorstellen kann. So sind hier die Kirchenkantaten und verwandte Werke nach ihrer Bestimmung, also ihrer Position im Kirchenjahr zusammengestellt und den Kantatenjahrgängen zugeordnet. Anschließend ist auf einen Blick zu sehen, wie viele weltliche Kantaten Bach beispielsweise aus universitärem Anlass geschrieben hat, oder rasch zusammengezählt, welche Tonarten in welchem Instrumentalgenre vorherrschen.

Neu und aufschlussreich ist außerdem das Supplement mit einer Übersicht der handschriftlichen Sammlungen der Bach-Familie und der Notenbiblio­thek Bachs („Alt-Bachisches Archiv“ und Werke verschiedener Komponisten). Welch weit gefächerter Fundus an Werken Bachs Erfahrungs- und Schaffenshintergrund bildete, wird hier ersichtlich.

Warum über solche und weitere Ergänzungen hinaus – darunter die Appendices mit zweifelhaften Werken und das wunderbar übersichtliche Verzeichnis der Choralmelodien und ihrer Texte – eine Neuauflage über 30 Jahre nach Erscheinen der zweiten Ausgabe (1990) notwendig wurde, begründet Thomas Frenzel, verantwortlicher Lektor bei Breitkopf & Härtel so: „Die Bach-Forschung ist nach wie vor eine Pionierdisziplin, in der sich sehr viele Kapazitäten bündeln. Das betrifft vor allem die Quellenforschung, aber auch die Hilfswissenschaften wie Papier-, Schriften- oder Tintenanalyse. Da gibt es immer wieder Neuigkeiten. In gewissen Zeitabständen muss eine Bestandsaufnahme gemacht werden. Zunächst dachte man, man nimmt die zweite Ausgabe und ergänzt ein wenig, bringt es auf den neuesten Stand; am Ende hat sich dann aber ergeben, dass das BWV grundsätzlich neu bearbeitet und strukturiert wurde.“ Den Mehrwert gegenüber der älteren Version sieht er in einem Zuwachs an „Quellen- und Umfeldinformationen zur Bach-Zeit und zur unmittelbaren Rezeption“. So könnten nun „Querverbindungen gezogen werden, auch zu Werkfassungen oder dazu, wie Quellen für Aufführungen weiterbearbeitet und wie sie nach Bachs Tod vererbt und weitergegeben wurden.“

Die offensichtlichste Neuerung stellt die Nummerierung von Werken dar, die in unterschiedlichen Fassungen vorliegen. Hier informieren nachgestellte Ziffern über die Fassungschronologie. Das bedeutet zum Beispiel, dass die h-Moll-Messe nun offiziell die BWV-Nummer 232.4 trägt oder die Kunst der Fuge die Nummer 1080.2. Die Herausgeber*innen stellen allerdings klar, dass es sich hierbei hauptsächlich um ein „internes Referenzsystem“ handelt, das nicht notwendigerweise in der breiten Praxis Anwendung finden muss.

Auch institutionell markiert das BWV3 eine neue Ära, denn die Verantwortung für das Verzeichnis liegt nunmehr beim Bach-Archiv Leipzig, das zusammen mit weiteren Institutionen auch für das Datenbank-Portal „Bach digital“ zuständig ist. Beim Bach-Archiv hat seit 2010 eine permanente Arbeitsstelle die Aufgabe, „sämtliche anfallenden Neuerkenntnisse zu registrieren, um auch in Zukunft Aktualisierungen […] zu ermöglichen“, wie es im Vorwort heißt. „Die Komplexität des Gegenstandes“, so die Begründung, erforderte „die Betreuung durch ein spezialisiertes Forschungsinstitut.“

Mitte Juni konnte nun das neue Bach-Werke-Verzeichnis im Rahmen des Leipziger Bachfests der Öffentlichkeit präsentiert werden. Schwingt freudig euch empor!

Bach-Werke-Verzeichnis (BWV), begründet von Wolfgang Schmieder, herausgegeben vom Bach-Archiv Leipzig. Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke von Johann Sebastian Bach. Dritte, erweiterte Ausgabe (BWV3), bearbeitet von Christine Blanken, Christoph Wolff und Peter Wollny. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2022, 880 S., € 410,00, ISBN 978-3-7651-0400-8

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