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Die divergierenden Bilder zusammendenken

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Zwei Kompendien suchen den neuen Blick auf Schumanns Gesamtwerk
Publikationsdatum
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Ulrich Tadday (Hrsg.): Schumann Handbuch, Bärenreiter/Metzler, Stuttgart/Kassel 2006; 602 Seiten, ISBN 3-476-01671-4, 64,95 €

Helmut Loos (Hrsg.): Robert Schumann. Interpretationen seiner Werke, Laaber Verlag, Laaber 2005; 2 Bände, 983 Seiten, ISBN 3-89007-447-2, 178,– €

Robert Schumann sei der „von allen Tonschöpfern am schwersten nach allen Richtungen hin zu erfassende“, hat sein Freund und Schützling Johannes Brahms einmal gesagt, und dieses Zitat steht nicht umsonst am Ende von Peter Gülkes großem biographischen Essay für das neue „Schumann-Handbuch“ bei Bärenreiter. Denn auch Peter Gülke hat es sich nicht leicht gemacht; er hat keine kommentierte Chronologie des Lebens und Schaffens abgeliefert, sondern einen Text, der die vielen, oft ineinander verzahnten Bereiche – oder besser: Probleme – des Schumann-Bildes zusammendenkt: die frühe Jugend Schumanns, die dem Bild des „romantisch Angekränkelten“ widerspricht, mit den späteren Schwankungen zwischen Euphorie und Depression; den von Schumann selbst bedienten Mythos des Inspirationsmusikers mit dem planmäßigen Erschließen aller wichtigen Gattungen; oder die in die Zukunft gerichtete Idee einer poetischen Musik mit der kompositorischen Reflexion älterer und jüngerer Vergangenheit.

Auf faszinierende Weise gelingt es Gülke – übrigens unter dem brillanten Titel „Schumanns jubelnd erlittene Romantik“ –, die üblichen Kurzschlüsse von einem überreich dokumentierten Leben auf das Werk zu vermeiden und stattdessen Schumanns Leben ein Stück weit aus den Werken heraus neu in den Blick zu nehmen, wofür manch erhellender analytischer Exkurs die Basis bildet. Ein nicht immer leicht zu lesender, aber dennoch idealer Einstieg und Ausgangspunkt für ein Buch, das sich nichts Geringeres zur Aufgabe gemacht hat, als in diesem Jubiläumsjahr die Diskussion über Schumann auf eine neue Ebene zu heben. Nicht alle werkbezogenen Abschnitte können Gülkes Reflexionsniveau halten – etwa in Bezug auf die „Dichterliebe“ oder das Violinkonzert –, insgesamt gelingt es den Autorinnen und Autoren aber hervorragend, den Blick aufs Einzelwerk mit dem jeweiligen Gattungshintergrund in Beziehung zu setzen. Hinzu kommen weitere themenbezogene Aufsätze, unter denen Gerd Nauhaus’ souveräner Forschungsüberblick, Uwe Schweikerts Abhandlung zum literarischen Werk und Bernhard Appels akribische Darstellung und Analyse der Schumann’schen Schaffensweise hervorstechen. Eine Chronologie, Beiträge zur Wirkungsgeschichte und ein Werkverzeichnis runden das gehaltvolle Kompendium ab.

Gehaltvoll auch der Beitrag des Laaber Verlags zum Schumann-Jahr, wobei ein näheres Hinsehen offenbart, dass die beiden großzügig gesetzten Bände nicht mehr Text enthalten als das Bärenreiter-Buch. Wie schon im Fall der ähnlich konzipierten Doppelbände zu Beethoven und Schönberg führt der Titel ein wenig in die Irre. Er drückt den Anspruch aus, dass jede Werkanalyse auch eine Interpretation sein müsse, ein Anspruch, dem bei einer solchen Unternehmung naturgemäß nicht jeder Text in gleicher Weise gerecht zu werden vermag.

Da stehen hervorragende Betrachtungen zu den Symphonien 2 und 4 neben einer uninspirierten, an der Sekundärliteratur entlang referierenden Abhandlung zur Fantasie op. 17, solide, konventionelle Analysen (etwa zum Klavierquintett) neben merkwürdig an der eigentlichen Musik vorbeigehenden Texten (Dichterliebe). Insgesamt wird man aber zuverlässig mit Informationen zu allen Werken versorgt, nicht zuletzt durch die ausführlichen Steckbriefe zur Entstehung am Beginn jedes Artikels, die sich in der Systematik an Margit McCorkles Maßstab setzendes Werkverzeichnis anlehnen (siehe nmz 7/8-2003).

Interessant ist zu beobachten, wie zwei Autoren mit der Tatsache der Doppelbesetzung in beiden Büchern umgehen. Hansjörg Ewert profitiert im Bärenreiter-Handbuch von dem Umstand, das Thema Oper zunächst grundsätzlich behandeln zu können, um die „Genoveva“ dann sehr klar strukturiert in den Fokus zu nehmen, während sein Werkporträt bei Laaber alle Aspekte auf knapperem Raum zu kondensieren versucht.

Beim „Requiem für Mignon“ wiederum bringt die Konzentration aufs Einzelwerk den Vorteil, dass die Klavierlieder op. 98a und das Chorwerk op. 98b wie von Schumann gedacht als eine Werkeinheit begriffen werden, während im Handbuch beide Elemente nach Gattungen getrennt sind. Jon Finson wiederum porträtiert die erste Symphonie bei Laaber eher an der Genese des Werkes entlang, während er bei Bärenreiter mehr den Gestus des anspruchsvollen Konzertführers anschlägt.

Somit ergänzen sich diese Publikationen in ihren unterschiedlichen Konzeptionen, wobei das Schumann Handbuch die anregendere Lektüre, das Laaber-Kompendium die ausführlicheren Werkbetrachtungen bietet. Und beide Bände machen deutlich, dass in Sachen Schumann des Lernens kein Ende ist.

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