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Ein Rhapsodiker wie er im Buche steht

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Erroll Garner: Ernst Burgers jüngste biographische Publikation ist einem Jazzpianisten gewidmet
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Ernst Burger: Erroll Garner. Leben und Kunst eines genialen Pianisten, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2007, 220 S., Abb., CD, € 49,90, ISBN 978-3-932581-81-6

„Huhhh-tschi-kuuuh-tschi-kuuuh!“ Ein pianistisches Schwergewicht wie Oscar Peterson konnte sich durch diesen Shout durchaus noch angestachelt fühlen, anderen aber ließ die Anwesenheit des im Publikum sitzenden Klaviergiganten regelmäßig das Blut in den Adern gefrieren und den Händen den pianistischen Dienst versagen. George Shearings Äußerung „...bitte geh, damit ich spielen kann“, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls legendär.
Ernst Burger, dessen Namen man gemeinhin mit profunden Publikationen zu herausragenden Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts verbindet, schließt mit seiner Biographie des Jazzpianisten Erroll Garner eine über lange Zeit klaffende Lücke. Allzu lange, möchte man meinen, hat man sich einmal dem Sog dieses Buches ergeben. Dabei ist es nicht der Schreibstil Burgers, der die Faszination erzeugt, vielmehr hält sich der Autor dezent im Hintergrund und lässt das Genie wie auch den liebenswerten Menschen Garner vorwiegend durch die Äußerungen und Resonanzen von Zeitzeugen, Musikerkollegen, Bewunderern und Verehrerinnen plastisch werden.

Dass Kritiker und Neider des Jahrhundertmusikers so gut wie gar nicht zu Wort kommen, ist nicht auf eine tendenziöse Auswahl der Beiträge zurückzuführen, sondern auf eine Persönlichkeitsstruktur, die bei wirklich großen Künstlern – leider – selten diagnostiziert werden kann: Im Falle Garners scheinen Begabung, Inspiration, Charme, Menschlichkeit und Bescheidenheit zu perfekter Symbiose gefunden zu haben, bei der substantielle Kritik schlichtweg keine echten Angriffsflächen findet. Wäre da nicht der auch heute noch vor sich hingärende Vorwurf, der Pianist hätte, verglichen mit anderen epochalen Jazzgrößen, keine nennenswerten musikalischen Folgeerscheinungen hervorgerufen. Wie denn auch, so fragt man sich beim Hören der garner’schen Plattenschätze: Sind doch die Besonderheiten seines Stils allesamt extrem individuell geprägt. Seine rhapsodischen, unberechenbaren Intros sind zwar transkribierbar, sterben aber nachempfunden den grausamen Tod der kunsthandwerklichen Reproduktion. Seine mit erschütternder Leichtigkeit und Präzision hingeworfenen Akkordkaskaden in closed voicings kann man schon üben, hier aber dürfte die Messlatte für die meisten wohl zu hoch gesteckt sein. Die respektvollen, ja bewundernden Äußerungen von berühmten Klavierkollegen aus dem klassischen Genre verdeutlichen dies. Und schließlich das berühmte „timeshifting“ zwischen den beiden Händen, vor dem sogar Groove-Götter wie Oscar Peterson und Duke Ellington freiwillig und gerne ihr Knie beugten. Garners differenzierter Umgang mit dem Timing ist mit Sicherheit der Hauptgrund für das Glücksgefühl, welches sich beim Hören seiner Musik unweigerlich einstellt.

Musikalischer Intellekt, avantgardistisches Denken oder Virtuosität werden da zu Kriterien zweiter Ordnung. All dies taugt nicht zur Gründung einer „Garner-Schule“ im Sinne der Weiterentwicklung, allenfalls zu zitierender Imitation, unter Pianisten auch „Garnern“ genannt.
Derartige ästhetische Reflexionen und wiederum deren Abwägung finden sich in Burgers Buch in stimmiger Balance mit fantastischem Bildmaterial, biographischen Aspekten, einer faszinierenden Darstellung des künstlerischen Umfeldes Garners und seines genreübergreifenden Publikums, und schließlich mit dem Versuch, das Wesen von Garners schier grenzenloser musikalischer Originalität herauszuarbeiten und sprachlich darzustellen. Obwohl dies dem Autor, auch hier wiederum geschickt gestützt auf die Äußerungen kompetenter Musikerkollegen, bemerkenswert gut gelingt, verlässt er sich nicht allein darauf: Burger – selbst Musiker – fügt der Biographie in dem Wissen, dass Sprache Musik nicht erklären kann, eine exquisit und exklusiv zusammengestellte CD mit repräsentativen Aufnahmen des Meisters an. Sie besitzt ohne Zweifel Suchtpotential und spätestens jetzt ist die eingehende Beschäftigung mit der detaillierten Diskographie im Anhang des Werkes unvermeidlich. Das utopische Verlangen, sie alle – und bitte in Vinyl – zu besitzen, kann sogar die Wiederaufnahme lange vernachlässigter verwandtschaftlicher Beziehungen – vorzugsweise zur älteren Generation und deren Plattenschränken – zur Folge haben. Was könnte mehr im Sinne des „lustigen Meisters“ sein?

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