Ernst Hofacker: Von Edison bis Elvis. Wie die Popmusik erfunden wurde, Reclam Verlag Stuttgart 2012, 448 S., Abb., € 24,95, ISBN 978-3-15-010838-3
Erwartungsvoller Lesebeginn: Da wird man als Klassikfreund oder als schon silberhaariger Musikhörer auf 400 Seiten nun endlich mal einen Überblick, wird Kategorien und hoffentlich auch kritische Einblicke in ein doch hochproblematisches „Business“ zwischen Marktstrategien und Drogenräuschen bekommen. Mehrfache Enttäuschung am Ende: Was „Pop“ nun eigentlich ausmacht, welche Grenzen zu „Unterhaltungsmusik“, „Schlager“, „Musical“ zumindest der Autor eindeutig zieht, wird nicht recht klar; Bing Crosby, Frank Sinatra, Mahalia Jackson, Billie Holiday und Aretha Franklin kommen kurz vor, Shirley Bassey nicht, Whitney Houston schon. Insgesamt erweist sich der Untertitel als einfach falsch.
Angesichts seiner langjährigen Erfahrung wäre vom Autor auch viel mehr kritische Distanz zu erwarten. Da schreibt er zur Rolle der Sponsoren von USA-Radio-Programmen, dass „Namen“ sowie „beliebig Werbejingles“ gesendet und „natürlich auch Einfluss auf die Sendeinhalte“ genommen wurde – und das Ergebnis sei „ein ausgesprochen lebendiges, flexibles und immer hart an den Bedürfnissen des Publikums und der Geldgeber orientiertes Programm“ gewesen. Prompt fehlt ein Kapitel oder durchgehend die analytische Durchleuchtung, wie sehr Marktstrategen und Stylisten sowohl am äußeren wie am inhaltlichen „Image“ von Pop-Solisten oder -Gruppen herumdokterten – also die miesen Züge dieses riesigen Geldgeschäftes.
Der Band liest sich eher als detailreiche, verständliche und interessante Geschichte musiktechnischer Erfindungen und der daran beteiligten Köpfe vom Trichtermikrofon bis zum iPod. Zu einigen großen Figuren der Blues-Jazz-R&B-Rock-Geschichte gibt es jeweils ein paar Seiten, die jedoch über einschlägige Artikel in Lexika des Hauses Reclam kaum hinausführen. In der Download-Urheberrechtsdebatte bezieht Hofacker keine Stellung. Eine kritische Stilgeschichte fehlt: Hat ein Kenner zum Niveauverlust bei Singstimmen oder zum dramaturgisch oft banalen bis schwachsinnigen „anything goes“ von Videoclips oder MTV-Sendungen nichts zu sagen? Eine wirklich analytisch-kritische Pop-Geschichte bleibt also ein Desiderat.