Singen und Lernen. Perspektiven auf schulische und außerschulische Vokalpraxis, hrsg. v. Thomas Greuel u.a., Shaker Verlag, Herzogenrath 2011, 168 S., € 29,80, ISBN 978-3-8440-0146-4
Thomas Greuel, Ulrike Kranefeld und Elke Szczepaniak haben mit dem 24. Band der Reihe Musik im Diskurs eine schriftliche Zusammenfassung der Beiträge der Jahrestagung 2010 der Gesellschaft für Musikpädagogik zum Thema Singen und Lernen herausgegebenen. Es werden zahlreiche Bereiche der Vokalpraxis thematisiert, wie etwa das Singen in einem Chor, im Kindergarten, in unterschiedlichen Schulstufen (Grundschule bis gymnasiale Oberstufe) oder in der Hochschule. Die verschiedenen Beiträge vertreten vielseitige Perspektiven und methodische Zugriffe auf das Thema, wie zum Beispiel historische, empirische und grundlagentheoretische Betrachtungen. Alle bilden diverse Facetten aktueller Vokalpraxis ab. So widmet sich der erste Beitrag von Alexander J. Cvetko dem Sprechgesang aus wissenschaftlicher Perspektive.
Aus der historischen Musikwissenschaft werden theoretische Anregungen für die Bedeutung des Sprechgesangs für die Musikpädagogik abgeleitet. Im zweiten Beitrag untersucht Nina Dyllick, inwieweit konstruktivistisch-didaktische Ansätze der Pädagogik auf die Vokalpraxis übertragbar sind. Sie zeigt beispielhaft, wie ein konstruktivistischer Ansatz neue Perspektiven auf die vokale Praxis in der Schule ermöglicht. Des Weiteren wird eine empirische Studie von Timo Fischinger und Jan Hemming zu den Grundkategorien Intonation und Timing der vokal-musikalischen Interpretation beim Chorsingen vorgestellt. Sie erläutern die technischen Möglichkeiten einer Mehrkanalanalyse, um den Beitrag einzelner Chorsänger zum charakteristischen Gesamtklang des Chores nachzuvollziehen. Der Artikel „Singen von Popularmusik in der Schule“ beschäftigt sich mit den besonderen Bedingungen und Beschränkungen im Umgang mit Popmusik an Schulen und erläutert mögliche didaktische Strategien. Katharina Schilling-Sandvoß beschreibt in ihrem Beitrag „Aspekte der Liedauswahl in Grundschule und Sekundarstufe 1“.
Ulrike Kranefeld und Martina Krause gehen in ihrem Bericht „Vom Sinn des Singens – Rekonstruktion von Begründungszusammenhängen“ der Frage nach, woher das vertiefte Interesse der jüngsten Gegenwart am Singen mit Kindern stammt und sie verfolgen die zugrunde liegenden Motive im Kontext der Initiativen zur Förderung des Singens an Grundschulen. Sie extrahieren Begründungen aus aktuellen musikdidaktischen Dokumenten zum Thema Singen in der Grundschule. Dabei beziehen sie sich auf die zwei Initiativen JEKISS (Münster) und Primacanta (Frankfurt), deren Begründungen sich in musikbezogen und nicht musikbezogen unterscheiden lassen. Der Artikel verdeutlicht, dass wesentliche Argumente für den musikdidaktischen Stellenwert des Singens in aktuellen Singprojekten sowie in Alltagstheorien von Grundschullehrenden häufig nur tradiert und zu wenig überdacht werden.
Die insgesamt zehn Beiträge liefern zahlreiche Impulse fachwissenschaftlicher wie unterrichtspraktischer musikpädagogischer Reflektion und regen zu dringend notwendiger, interdisziplinärer Diskussion und Vertiefung musik- und vokalpädagogischer Forschung an. Leider bezieht sich keiner der Beiträge auf den direkten Zusammenhang von Singen und Lernen beziehungsweise auf das Singen-Lernen. Beide Aspekte sind im musikpädagogischen Diskurs nach wie vor wenig beforscht. Empirische Erkenntnisse, etwa dass Singen Lernprozesse stützt und wie Singen-Lernen geschieht, könnten jedoch sehr gewinnbringend für die schulische und außerschulische Vokalpädagogik sein.