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Konzgrtreisen finanzieren das Märchenschloß

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Klausen und Fluchtburgen: Prachtband stellt „Musiker und ihre Häuser“ vor
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Gérard Gefen (Text)/ Christine Bastin/Jacques Evrard (Fotos): Musiker und ihre Häuser. Knesebeck Verlag München, 1998, 200 Seiten, 98 Mark

Mal eben bei Franz Léhar in Bad Ischl hereinschauen oder bei Edvard Grieg auf „Troldhaugen“? Musikfreunde können es leibhaftig tun, indem sie zu den erhaltenen Domizilen reisen. Sie können sich aber auch zurücklehnen, eine CD auflegen und in diesem Prachtband schmökern. Autor Gérard Gefen sowie seine beiden Fotografen Christine Bastin und Jacques Evrard bringen dem Leser ausgesuchte Stätten nahe, an denen die hier versammelten 23 Tondichter lebten und wirkten. „Komponisten und ihre Häuser“ wäre als Titel darum treffender gewesen. Denn namhafte Interpreten stöbern die Spurensucher nicht in deren vier Wänden auf, lebende Künstler schon gar nicht. Exzellente Fotos mit ebenso musealem wie scharfem Blick zeigen die Heime der Meister von innen und außen. Hier die Veranda, da das Eßzimmer, dort die Komponierstube, und von Francis Poulencs Fenster aus überschaut man das herrliche Loire-Tal. Nicht jedes Bild ist allerdings klar beschriftet, weshalb einige Details ungenannt bleiben. Gefen führt durch die Räume und durch das Leben, manchmal etwas kursorisch, aber liebevoll im Ton. Persönlichkeiten treten hervor, werden in ihrer privaten Umgebung lebendig. Hätten Sie’s gewußt? Der gesellige Mozart besaß zuletzt 18 Stühle, während Massenet auf seinem Anwesen nach eigener brieflicher Auskunft „6 Igel à 2,50 F bis 3 F“ aussetzte, weil er sich vor Vipern fürchtete. Der eine residierte fürstlich (Ole Bull), der andere ärmlich (Schubert), und wieder andere hielten es nirgends aus (Beethoven). Brahms schlief einst in einer spartanischen Mansarde, Manuel de Falla lebte mönchisch, aber geschmackvoll. Klausen, Prestigeobjekte, Fluchtburgen in der Stadt oder auf dem Land: Spiegelt sich der Wohnstil im Musikstil? Soweit geht Gefen natürlich nicht. Die Musik ist eine eigene Heimstatt, die sich allerorten einrichtet. Manch einen mag das häusliche Ambiente freilich zur Schaffenskraft getrieben haben, zumal auch Einrichtungen wie komponiert aussehen. In einer pittoresken Mischung aus Epochengeist und persönlichen Vorlieben entstanden Eigenheime, die sich erstaunlich viele Komponisten leisten konnten. Darunter Puccini, Ravel, Sibelius, Verdi. Und Bull unternahm gleich noch ein paar Konzertreisen mehr, um sein Märchenschloß „im arabisch-maurischen Stil“ zu finanzieren.

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