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Mandelschokoladenwalzer und Tulpenprinzessin

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Klavierspielen mit Erik Satie – der erste Band einer neuen klavierpädagogischen Reihe
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Ludwig Striegel: Schlaffe Präludien und verdorrte Embryos. Klavierspielen mit Erik Satie. Fernwald: Musikverlag Burkhard Muth 1997, 133 Seiten (Reihe PianoPädagogik, Band 1

Was der Markt alle Jahre wieder an Bücherfluten anspült, nimmt sich am Gestade „Musikpädagogik“ diesen Oktober vergleichsweise bescheiden aus. Gerade mal eine Handvoll Neuheiten ist hier zu verzeichnen, darunter eine Publikation des Musikverlags Muth, erster Band einer neuen Reihe „PianoPädagogik“, die sich als „Forum für verschiedene klavierpädagogische Ansätze“ versteht und eine Ergänzung zu Klavierschulen bieten will. Das schmale Bändchen ist dem Klavierwerk Erik Saties gewidmet, dessen unkonventionelle Kompositionsweise durch schillernd vielgestaltige Bezüge, sei es zu Texten oder zu Bildern, geprägt ist und die „in ihrer künstlerischen Ästhetik zu Fragen herausfordert“. Zugegeben: Der Titel „Schlaffe Präludien und verdorrte Embryos“ klingt für den Klavierpädagogen nicht unbedingt attraktiv, auch das mausgraue Cover springt, gerade in diesem buntbebilderten Sektor, den potentiellen Käufer nicht unmittelbar an, wirkt auf den ersten Blick eher wie die Verwertung einer Dissertation – was sie sicherlich auch ist, jedoch erfreulich „pädagogisch“ aufbereitet. Autor Ludwig Striegel, der sich unter anderem als Satie-Spezialist ausweist, hat hier einen Balanceakt zwischen fachwissenschaftlicher Seriosität und „Vermittlung persönlicher Begeisterung für die Sache“ versucht, eine Verbindung von Theorie und Praxis, indem durch Hintergrundinformationen und „übergreifende Fragestellungen“ eine Auseinandersetzung mit Saties Klaviermusik angeregt werden soll. Konkret sieht das so aus: detaillierte Analysen repräsentativer Klavierstücke innerhalb der Kategorien „Saties Kinderstücke“ (mit „Mandelschokoladenwalzer“ und „Tulpenprinzessin“) oder „Dimensionen musikalischer Komik“; Beleuchtung des Kontexts (Saties ungewöhnliche Spielanweisungen, Werktitel, und „Stories“ zur Musik), aber auch aus Saties Musik erwachsende Anregungen zu Improvisationen oder Präparation des Instruments. Spieltechnisch erweisen sich die Stücke als durchaus kindgerecht, sind meist im Fünffinger-Bereich angesiedelt und auch für kleine Hände gut zu greifen; die skurrilen Titel und surrealistischen Geschichten (die gewisse Gesetzmäßigkeiten bei der Zuordnung bestimmter Textabschnitte zu musikalischen Strukturen aufweisen) bilden eine zusätzliche Ebene der Motivation. Was im Ansatz zunächst noch etwas unausgegoren wirkt, birgt durch den Gegenstand Satie durchaus so manche Anregung für den Klavierpädagogen, ja mehr noch: Satie, dem es trotz äußerst beschränkter Verwendung der Mittel gelingt, melodische und harmonische Klischees weitgehend zu vermeiden, hat so eine weitgehend traditionsunbelastete Musik geschaffen, die sich romantisierendem Spiel bewußt verweigert. Ein interessantes Experiment also, das über den konventionellen Instrumentalunterricht hinausweist, und mit seinen Vorschlägen zu Improvisation und Präparierung des Instruments möglicherweise eine sanfte Einführung in die Klangwelten Neuer Musik darstellt. Weitere Bänd sind bereits in Planung.

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