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Heinrich Simbriger, ca. 1960. Foto: Archiv
Heinrich Simbriger, ca. 1960. Foto: Archiv
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Suche nach einer zeitgemäßen Musiksprache

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Der Komponist und Musiktheoretiker Heinrich Simbriger in zwei Bänden und auf CD
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Thomas Emmerig (Hrsg.): „Ich bin vor allem Komponist …“. Biographie und Werk Heinrich Simbrigers (nové cesty – neue wege, Schriftenreihe des Sudetendeutschen Musikinstituts, Bd. 5), ConBrio, Regensburg 2012, 280 S., Abb., € 24,90, ISBN 978-3-940768-32-2
Thomas Emmerig (Hrsg.): Theorie und Analyse. Studien zum Werk Heinrich Simbrigers (Schriftenreihe des SMI, Bd. 6), ConBrio, Regensburg 2011, 245 S., Notenbsp., e 19,90, ISBN 978-3-940768-30-8
CD: Heinrich Simbriger (1903–1976), Komponistenportrait, Regensburger Musikedition

Soll man von einer Wiederentdeckung reden oder eher von einem erstmaligen Kennenlernen? Der 1903 in Aussig geborene, 1976 in Regensburg verstorbene Komponist und Musiktheoretiker Heinrich Simbriger vermochte es zu Lebzeiten nur bedingt, mit seinen Werken und Ideen öffentliche Resonanz hervorzurufen. Durch einen kunstfernen Brotberuf musste der einstige Schüler von Fritz Fidelio Finke und Joseph Haas jahrelang seine Existenz sichern, bevor er ab 1966 in Regensburg das „Musikarchiv der Künstlergilde“ aufbauen konnte, in dem Simbriger Musik jener Komponisten sammelte, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den einstigen deutschen Ostgebieten vertrieben worden waren. Von seinen eigenen Schöpfungen, die ihr Zentrum im Bereich der Kammermusik und des Liedes haben, blieb vieles unpubliziert, und auch schulebildend scheint Simbriger nicht gewirkt zu haben: Sein ab etwa 1950 unternommener Versuch, in kritischer Auseinandersetzung mit den dodekaphonen Techniken Schönbergs und Josef Matthias Hauers (in dessen Wiener Umkreis sich Simbriger einst bewegt hatte) eine eigene Methode des Komponierens mit zwölf Tönen zu entwickeln, fand keine Nachfolge.

Eine durch den Musikwissenschaftler Thomas Emmerig angestoßene Initiative versucht jetzt, mehr Aufmerksamkeit auf Simbriger und sein Œuvre zu lenken. Zwei im ConBrio-Verlag erschienene Bände der „Schriftenreihe des Sudetendeutschen Musikinstituts“ (wo das „Musikarchiv der Künstlergilde“ heute aufbewahrt wird) setzen Impulse für eine noch an ihrem Beginn stehende Erforschung von Simbrigers Wirken. Der „Theorie und Analyse“ ist deren erster gewidmet, der mit einer kurz gefassten Einführung Axel Schröters in Simbrigers musikalisches Denken eröffnet wird und danach eine ausführliche Studie Irmgard Freihoffers zu Simbrigers System der „komplementären Harmonik“ enthält. Die kompositorische Umsetzung dieses „Versuchs einer Synthese von Dodekaphonie und Tonalität“ exemplifiziert die Autorin abschließend anhand einer Analyse von Simbrigers Sonate für Violine und Klavier op. 110. Abgerundet wird die Publikation mit drei Erstveröffentlichungen aus Simbrigers Nachlass.

Als gute Einführung in dessen Kompositionstechnik kann der wohl als Vortrag gedachte Text über „Die Zwölftonmusik“ dienen, in dem der Autor der linear konzipierten „Schönbergschen Reihentechnik“ und dem „Hauerschen Klangkontinuum“ seine eigene „Technik der Ergänzungsgruppen“ entgegenstellt. Weiter entwickelt wird diese Differenzierung in der folgenden Schrift über den „Zweistimmigen Satz in der Zwölftonmusik“. Im Grundsatz aktuell geblieben sind die „Probleme des Komponisten von heute“, die Simbriger in den 1950er-Jahren beschrieb: Fragen nach der gesellschaftlichen Relevanz seines Tuns und seiner materiellen Existenz.

Im anderen Band stellt Thomas Emmerig als Herausgeber in zwei Einzelbeiträgen zunächst die zahlreichen, nicht zuletzt durch die politischen Umbrüche der 1930er-Jahre und die folgende Weltkriegszeit veranlassten Wechselfälle der Biografie Simbrigers dar, gefolgt von einem Artikel über dessen Tätigkeit als Musikarchivar. Danach analysiert Randolf Jeschek repräsentative Kammermusikstücke des Komponisten, wobei er sowohl Werke aus der tonalen Frühphase wie aus der späteren, „komplementär-harmonischen“ Zeit von Simbrigers Schaffen berücksichtigt. Der Beitrag von Hanns Steger stellt, ausgehend von ihren geistigen Wurzeln, die Klaviermusik Simbrigers im Spannungsfeld zwischen herkömmlichen Formen und Techniken einerseits, der Suche nach einer zeitgemäßen Tonsprache andererseits dar. Hans Pritschet schließlich zeigt an ausgewählten Liedzyklen, wie stark fernöstliche Impulse in Simbrigers Denken und Schaffen hineinwirkten. Vorbildlich für die Edition ist die Beigabe von Hörbeispielen in CD-Form, welche auf die musikalischen Analysen abgestimmt sind.

Flankiert wird dieses vielfältige Bemühen, Heinrich Simbrigers Schaffen wieder deutlicher ins Bewusstsein zu heben, durch eine zeitgleich erschienene CD-Veröffentlichung der „Regensburger Musikedition“ mit kompletten Werkeinspielungen. Teils handelt es sich hierbei um historische Aufnahmen mit dem ehemaligen Regensburger Domorganisten Eberhard Kraus und dem Geiger Joachim Schrems, teils auch um aktuelle Interpretationen durch Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Regensburg. Dass Simbriger – ohne kompositorisches Niveau aufzugeben – eingängig zu schreiben wusste, ist besonders beim erzmusikantisch komponierten wie gespielten Streichtrio op. 45 zu hören wie auch bei der wunderbar ruhigen „Elegie für Violine, Englischhorn und Streicher“.
 

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