Corinna Vogel: Tanz in der Grundschule. Geschichte – Begründungen – Konzepte. (Forum Musikpädagogik, Bd. 62), Wißner-Verlag, Augsburg 2004, 384 S., Abb., € 39,00, ISBN 3-89639-435-5
Ausgehend von der Frage, ob und wie Tanz in deutschen Grundschulen berücksichtigt wird, unternimmt Corinna Vogel in ihrer Dissertation eine Bestandsaufnahme der historischen und aktuellen Stellung des Tanzes innerhalb der Fächer Musik und Sport und vergleicht diese mit der Situation an den Grundschulen Großbritanniens und der Niederlande. Die Ergebnisse münden in ein eigenes Konzept für kreativen Kindertanz, welches entwicklungspsychologische, musik- und sportpädagogische Erkenntnisse integriert.
Beginnend mit einer Annäherung an das vielschichtige Phänomen Tanz und der Abgrenzung des Kindertanzes von verwandten Bewegungskonzepten wie etwa Gymnastik, Rhythmik und Eurythmie, wird aus historischer Perspektive die Situation des Tanzes an deutschen Grundschulen von 1400-1990 geschildert. Auf die Beschreibung der allgemeinen Schulsituation und der Integration von Tanz im Musik- und Sportunterricht folgen Ansichten von Pädagogen über das Tanzen. Gesellschaftliches Ansehen von Tanz und gängige Tanzformen der Gesellschaft werden erläutert und deren Einflüsse auf die allgemein bildende Schule untersucht. Besondere Aufmerksamkeit gilt in einem Unterkapitel dem (Turn-)Reigen.
Der Analyse von Lehrplänen, Richtlinien und Schulbüchern im Hinblick auf Häufigkeit und Vielfalt der Lerninhalte und –ziele des Lernfeldes Tanz widmet sich das dritte Kapitel. Leider ist nicht ersichtlich, welchen Umfang das Lernfeld Tanz in Relation zu anderen Lernfeldern des Musik- und Sportunterrichtes (zum Beispiel Singen/Musikhören oder Ballspiele/Gymnastik) einnimmt. In Befragungen von Lehrenden und Schülern wurden Angaben zur Häufigkeit und Wichtigkeit des schulischen Tanzens in Relation zu Ausbildung und Alter der Lehrenden, zu Tanzanlässen, Tanzstilen, Musikauswahl, Tanzaufführungen, Unterrichtsmaterialien et cetera ermittelt. Teilweise sind die Ergebnisse nicht überraschend. Hervorhebenswert ist hingegen die Vorstellung unterschiedlicher Projekte zur Integration von Tanz in der Grundschule wie „mus-e“, „tanzwerk Bremen“ oder „Landesbüro Tanz NRW“.
Die folgenden Kapitel befassen sich mit Tanz in der britischen „primary school“ und der niederländischen „basisschool“. Die Autorin erläutert Besonderheiten des jeweiligen Schulsystems, inhaltliche Vorgaben der Fächer Musik und Sport sowie Unterrichtswerke und gibt einen historischen Überblick über die Entwicklung des schulischen Tanzunterrichts. Daran schließt sich ein Vergleich der drei Länder bezüglich der Schulsituation, bestehender Konzepte zur Integration von Tanz in den Schulen, verbindlicher Lehrplan-Vorgaben, Unterrichtsmaterialien als auch der Ausbildungssysteme und Berufsfelder von Tanzpädagogen an. Zusammenfassend werden länderübergreifende Aspekte formuliert.
Kapitel sieben präsentiert zentrale, wenngleich weitgehend bekannte entwicklungspsychologische, bewegungs- und musikpädagogische Begründungen für die Integration von Tanz in der Schule. Basierend auf „modern educational dance/creative dance“ und „dansexpressie“ stellt die Autorin abschließend ein eigenes Konzept des kreativen Kindertanzes vor, welches gestalterische Prozesse betont. Es umfasst mehr oder weniger konkrete Ausführungen zu Zielen, Inhalten und Methoden als auch Hinweise zur Unterrichtspraxis (Musikeinsatz, Stundenaufbau). Ergänzend wird exemplarisch ein Stundenbeispiel skizziert. Das Konzept orientiert sich stark an bestehenden Ansätzen zur kreativen Tanzerziehung. Es benennt zwar zentrale Aspekte des Tanzens mit Kindern, bietet aber für professionelle Tanzpädagogen nicht wirklich Neues.
Die Publikation zeichnet sich durch eine breit gefächerte, historisch und empirisch angelegte Zusammenschau aus, die das Thema von vielen Seiten aufarbeitet. Zugunsten der Vielfalt verzichtet die Autorin allerdings mancherorts auf detailliertere Ausführungen und wählt eine überblicksartige Darstellung. Gerade deshalb ist das Buch jedoch für diejenigen empfehlenswert, die sich ein umfassendes Bild über die Situation des Tanzes in der Grundschule verschaffen möchten. Anders als der Titel verspricht, ist der Band jedoch nicht als Materialsammlung für die Praxis einsetzbar, was jedoch auch nicht Anliegen der Autorin ist. Für Leser mit wissenschaftlichem Interesse wünschenswert wären weitere Erläuterungen zum methodischen Vorgehen, Kriterien zur Auswahl der Schulbücher und Kriterien zur Fragebogenauswertung mit Ankerbeispielen. Corinna Vogel bietet mit diesem Buch eine Art Kompendium zum Tanz in der Grundschule, welches Defizite wie Möglichkeiten aufzeigt. Ans Herz gelegt sei es vor allem den in Lehreraus- und -weiterbildung Tätigen, um den Bereich Tanz in der Grundschule weiter zu stärken.