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Tönend-subversive Proteststrategien

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Eine Studie untersucht Protestchöre als „neue Ästhetik des Wiederstands“
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Erfreulich, dass Stefan Donaths Thema Politik und Kunst miteinander verschränkt. Doch führt Donath zwischen Platons „Staat“, dem Politklassiker „Leviathan“ des Thomas Hobbes von 1651 und dem UNESCO-Social Science Report von 2016 so ziemlich alles aus weltweiter Politikwissenschaft, Soziologie, Kultur- und Theatergeschichte an – es fehlen nur Saskia Sassen und die „Situationistische Internationale“.

Leider hat all dies den Autor zum überwunden geglaubten Soziologendeutsch der 1970er- und ’80er-Jahre verführt – etwa Überschriften wie „Die Verzeitlichung der Geschichte in der Moderne“ oder „Produktion von Aufmerksamkeit als lautliche Materialität des Chores“… „Clarté!“ möchte man dem Autor zurufen.

Autor Donath ist im Zeitalter der Digitalisierung angekommen: Zu den Protesten um „Stuttgart 21“ im Jahr 2010, in Kairo und „Occupy Wall Street“ 2011 verweist er durchweg auf YouTube-Belege mit der Angabe „zuletzt aufgerufen… 2018“. Das ist als wissenschaftliche Quellenangabe inzwischen akzeptiert.
Doch heutzutage zunehmend eingeklagte Bild-, Ton- und Persönlichkeitsrechte können jederzeit zur Löschung des betreffenden Beitrags führen – wären da nicht noch zwei Quellentext-Seiten mit dem Wortlaut dessen möglich, was in Stuttgart oder New York gesungen oder skandiert wurde? Auch ein, zwei Bilder zu den stummen Protestchören im arabischen Raum hätten vieles an Donaths Beschreibungen ersetzt.

Wer von der Breite und Sprache nicht verschreckt aufgibt, bekommt ausgiebig zergliederte Analysen von Volker Löschs Chören 2010 in Stutt­gart und vom Einsatz von Lärm als Protest durch die „Schwabenchöre“.

Verdienstvoll ist Donaths Darstellung und Analyse der hinter den Fernseh-Sequenzen von Gewalt und Gegengewalt im öffentlichen Bewusstsein fast untergegangenen stummen Protestchöre in Kairo: eine neue Form subversiver Proteststrategie als „stiller Widerstand“. Eindeutiger und realpolitisch ergiebiger ist Donaths Darstellung der „Occupy!“-Bewegung, spannend der Einsatz des „Human Mic“ seitens der Occupier: Ihnen war der Gebrauch von Megafonen untersagt worden, woraus sich die chorische Wiederholung des vom „Dirigenten“ Gesagten zunächst im engeren Umkreis und dann in chorischen Wellen über die ganze Versammlung als Abhilfe entwickelte. Doch gerade dazu wäre eine eingehende rhetorische Analyse zu wünschen; der Gesamtzusammenhang zwischen chorischem Protest und Rhetorik sollte ein zentrales Kapitel bilden – das fehlt.

Donath schließt mit einem „Sowohl-als auch“, sieht den Protestchor als „erfolgversprechende Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen“, der aber auch das soll: „Anders Denkende akzeptieren, in Austausch mit ihnen treten und als Bereicherung für den politischen Meinungsbildungsprozess entdecken“ – muss das nicht jeder Demokrat ohne Protestchor? Durchweg, aber besonders hier wäre ein Eindampfen des Bandes auf 200 Seiten und eine Schlussaussage zu wünschen, die sowohl der politische Aktivist kommender Proteste wie der engagierte Chorleiter des Theaters zur expressiven Belebung einer Chor-Szene anwenden kann.

Stefan Donath: Protestchöre – Zu einer neuen Ästhetik des Widerstands. Stuttgart 21, Arabischer Frühling und Occupy in theaterwissenschaftlicher Perspektive, Transcript Verlag, Bielefeld 2018, 480 S., e 34,99, ISBN 978-3-8376-4405-0                         
 

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