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Überraschungsfund, fast unbemerkt

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Der Briefwechsel zwischen Ernst Krenek und Theodor W. Adorno, neu ediert
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Der Briefwechsel zwischen Ernst Krenek und Theodor W. Adorno ist bereits 1974 von Wolfgang Rogge ediert worden. Die häufig musiktheoretisch gedankenschweren Briefe zwischen den Autoren hat er schon damals sachkundig und klug kommentiert. Jetzt erscheint in der Adorno-Gesamtausgabe eine Neuauflage, die auf den ersten Blick völlig unscheinbar daherkommt. Denn seit 1974 sind kaum Neuigkeiten hinzugekommen. Der Kommentarapparat hingegen gewinnt durch immer mehr Kenntnisse der Lebensgeschichte Adornos hinzu. Dabei verzichtet man, der Lesefluss dankt es einem, auf bleierne Fußnoten, sondern kommentiert Hintergrundinformationen aus dem Text heraus.

Umso erstaunlicher mutet es an, wenn für die Herausgeberin Claudia Maurer Zenck die ganz neuen Funde nur wenige Anmerkungen wert zu sein scheinen. Ein Brief aus dem Jahr 1934 wird in ihrem Nachwort bloß erwähnt. Dabei hat dieser Brief Adornos an Krenek es in sich. Adorno äußert sich darin zur Oper „Karl V.“ von Krenek und zu dessen Verwendung der Zwölftontechnik. Adorno mahnt darin an, dass die Zwölftontechnik eigentlich darauf abziele, alle Parameter der Komposition wie Rhythmus oder Harmonik genauso zu berühren wie die bloße abstrakte Tonhöhe. Ein Gedanke, der später tatsächlich in der seriellen Musik der 1950er-Jahre eine Rolle spielen wird. So präzise und früh wie in diesem Brief fand er sich aber bislang nicht formuliert. Experimentell abgehandelt wird das Thema „Artikulation unseres Materials“ zwischen Komplexität und Einfachheit. Das hätte alles münden sollen in den Artikel „Zur Artikulation der Zwölftontechnik“ der für 1935 geplant, leider aber nie realisiert wurde.

Stattdessen widmet sich die Herausgeberin den vielfältigen Beziehungen zwischen Krenek und Adorno, ihrer historischen Genese und ihrem Verlauf, soweit er sich aus den Texten und Briefen nicht selbst erschließt. Abgerundet wird das durch den Nachdruck von veröffentlichten Aufsätzen und Texten beider Autoren, die sonst eher verstreut zu finden sind. Die insgesamt theoretisch produktive Konversation zwischen den beiden Außenseitern mit intimer Kenntnis der Musik ihrer Zeit, zumindest bis etwa 1950, lohnt sich in jedem Fall.

  • Theodor W. Adorno/Ernst Krenek. Briefwechsel 1929–1964. Herausgegeben von Claudia Maurer Zenck. Suhrkamp, Berlin 2020. 484 S., € 44,00, ISBN 978-3-518-58753-9.

 

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