Branchenübergreifend gewinnen die Neuen Medien zunehmend an Bedeutung. So sehr sie vielerlei bekannte und bewährte Bedingungen verändern, eröffnen sie zugleich einen reichen Fundus neuer Möglichkeiten. Dass auch die Musikvermittlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln davon nicht ausgenommen bleibt, legt die Publikation „polyphonie.vernetzt“ dar, in der vier Vorträge sowie eine Podiumsdiskussion des 2011 in München veranstalteten Symposiums „Perspektiven multimedialer Musikvermittlung“ dokumentiert sind. Die Diskussion ist zudem auf der beiliegenden DVD als Videoversion zu sehen, ebenso ein Kurzdokumentarfilm über das Symposium.
Die Beiträge stammen von Persönlichkeiten, deren Tagesgeschäft durch musikvermittelnde Tätigkeiten bestimmt ist, die verschiedene Perspektiven abdecken: die journalistische und die verlegerische, die pädagogische und die kompositorisch-schaffende. Eine Konsensbildung ist jedoch unschwer zu erkennen: Multimediales Arbeiten bedarf anderer Herangehensweisen als beispielsweise die Nutzung linearer Medien, und es ermöglicht, zusätzliche Publika zu erreichen.
Damit kann es eine Funktion erfüllen, die das Buch zum Thema hat: eine vermittelnde. Michael Schmidt als Koordinator des Klassikportals des Bayerischen Rundfunks führt in die multimediale Präsentation klassischer Musik ein und attestiert der trimedialen Darstellung ein gesondertes Vermittlungspotenzial. Gerade junge und bildungsferne Publikumsschichten könnten insbesondere durch die vielseitigen und anschaulichen Online-Angebote sowie den „user-generated-content“ in erhöhtem Maße generiert werden. Theo Geißler präsentiert einen Überblick über die Online-Erweiterungen des noch immer auf den Print spezialisierten ConBrio-Fachverlags. Ein Beitrag, der kritisch-reflektierend die erweiterten Möglichkeiten des multimedialen Journalismus aufzeigt, ohne die Auswirkungen auf den Content auszublenden, der im schnelllebigen Netz leicht die wichtige Komponente des Hinterfragens einbüßen kann.
Von einer „Emanzipation des Musikkonsumenten“ im multimedialen Kontext spricht als Musikpädagoge Wolfgang Rüdiger. Auf philosophischem Fundament, das Medien als Erweiterung des Körpers und Musik als Körpersprache definiert, spricht Rüdiger den Neuen Medien das Potenzial für eine Form der aktiven Musikvermittlung zu. Nicht-Instrumentalisten könnten durch digitale Technik zu aktiven Musikern und Komponisten werden, das Primärinstrument Körperstimme durch die Medien erweitert werden. Bernhard Lang schließlich widmet seinen Beitrag der systematischen Darstellung eines Kompositionsvorgangs auf medialer Basis.
„Polyphonie.vernetzt“ weist durch vier Perspektiven auf die Vielgestaltigkeit des Gegenstandes Musikvermittlung hin. Teils pointiert und teils theoretisch ausholend veranschaulicht der Band, dass der musikalische Sektor den Kontakt mit Neuen Medien nicht zu scheuen braucht, sondern ihn zu vermittelnden Zwecken durchaus suchen darf.
Ein schöner Bestandteil ist die beiliegende DVD, die mit zwei sehenswerten Videobeiträgen dafür sorgt, dass in einer Publikation, die den Begriff „Multimedialität“ im Untertitel trägt, diese auch hier angewendet wird.
Michael Schmidt (Hrsg.): Polyphonie.vernetzt – Perspektiven multimedialer Musikvermittlung, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2012, 112 S., Abb., DVD, € 19,90, ISBN 978-3-940768-33-9