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Vorbildlich und maßstabsetzend

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Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich erschienen
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Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich. Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, herausgegeben von Bernhard Günther; Verlag des Österreichischen Musikinformationszentrums (mica) 1998.

Hinter diesem Werk, das zugleich Handbuch und Nachschlagewerk ist, steht das aufstrebende Österreichische Musikinformationszentrum in Wien (mica). Das vor wenigen Jahren gegründete mica ist heute eines der modernsten nationalen Musikinformationszentren, die in der IAMIC (International Association of Music Information Centres) zusammengeschlossen sind, und dürfte in seinem Aufbau vor allem an der oft vorbildlichen Arbeit solcher Zentren in den nordischen Ländern orientiert gewesen sein. Aufgabe dieser Zentren ist überwiegend Werbung für — und Bereitstellung von Informationen über — die Musik des eigenen Landes, wobei naturgemäß zeitgenössisches Komponieren eine Vorrangstellung einnehmen wird. Mit vorliegendem Lexikon übertrifft das österreichische Musikinformationszentrum, was Umfang und Gründlichkeit betrifft, sämtliche vergleichbaren Bemühungen anderer Musikinformationszentren in Europa oder auch weltweit. Das Buch gliedert sich in drei Teile, worunter der lexikographische mit seinen rund 960 Seiten den Schwerpunkt bildet. Das Problem der Personenauswahl-Begrenzung wurde auf problematische Art und Weise gelöst: Alle mehr oder weniger erwähnenswerten Tonsetzer, die ab 1914 geboren sind (warum dann der generelle Anspruch des Titels aufs 20. Jahrhundert?), wurden aufgenommen, auch längst verstorbene. Hingegen findet man hier nicht jene noch lebenden Komponisten, die vor 1914 geboren wurden — eine diskriminierende Panne! Jeder Artikel gliedert sich in eine stichwortartige Übersicht (Ausbildung, Tätigkeiten, Auszeichnungen, Aufführungen), der — wenn möglich, vom Komponisten gelieferte — Statements zu seinem Schaffen, eine komplette Werkliste (chronologisch geordnet), Diskographie und Bibliographie folgen. Die Auslassungen der Komponisten über sich selbst dürften nicht nur Hobbypsychologen viele Aufschlüsse über den nach wie vor erhöht definitionsbedürftigen Berufsstand und obendrein manche Erheiterung bieten. Der gesamte lexikographische Teil ist mit höchster Akribie, Fleiß und Intelligenz erstellt, hat jedoch in Buchform von vornherein etwas Anachronistisches, ist er doch — trotz vorausgreifender Bemühungen um Aktualität — nach kürzester Zeit schon nicht mehr aktuell und damit nicht mehr als ein großer Stoß sauber ausgedruckter und geschmackvoll gebundener Internetseiten. Was vom Kauf keineswegs abschrecken sollte: Der moderate Preis rechtfertigt die Anschaffung schon alleine wegen des ersten 212 Seiten umfassenden Abschnitts mit einer Einleitung, die eine gute Übersicht über die Entwicklung der neueren Musik in Österreich gestattet, und einer vorzüglichen, meist treffsicheren und mit Genuß und Gewinn zu lesenden Abhandlung über die österreichische Musik in der ersten Jahrhunderthälfte, in welcher kein auch nur einigermaßen bedeutender Komponistenname fehlt. Dieser Einleitung folgen 80 Seiten mit ausführlichen Literaturhinweisen, die zum Weiterforschen animieren sollen. Das alles ist vorbildlich und maßstabsetzend, gerade auch bezüglich der Aufarbeitung von bis zuletzt vernachlässigter Geschichte! Der Anhang listet auf hundert Seiten „allgemeine Literatur" auf und ermöglicht mit Schlagwortverzeichnissen, geographischen Registern, Zeittafeln und einem praktischen Register der Komponisten die gezielte und oft zeitsparende Orientierung. Ein Brevier für Praktiker und Bildungshungrige.

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