„Bunt, chaotisch, laut und erotisch: Das Leben an seinem Arbeitsplatz ist ganz nach Schikaneders Geschmack. Hier dampft das Dasein.“ Emanuel Schikaneder, der gebürtige Bayer, langjährig zwischen Regensburg und Augsburg, zwischen Salzburg und Graz, zwischen Buda, Pest und Linz pendelnd, hat sich endgültig niedergelassen, in Wien, nachdem er dort bereits ab 1785 am Kärntnertortheater und am Burgtheater aufgetreten war, die Stadt aber verlassen hatte, nachdem man ihm die Errichtung eines eigenen, neuen Theaters untersagt hatte.
Schikaneder – der Name ist heute unweigerlich mit Mozart, mit der „Zauberflöte“ verknüpft. 1777, in Augsburg, hatten sich beide nur um Haaresbreite verpasst. 1780 begegnet man sich in Salzburg, kurz bevor Mozart nach München aufbricht. Für beide sind es zu dieser Zeit Lehrjahre, gerade auf dem Gebiet des Singspiels, das beide wieder zusammenführen wird, als sie 1791 das „Zauberflöten“-Projekt angehen. Schikaneder, „waghalsiger Unternehmer, revolutionärer Theatermacher und frecher Kampfgeist“, ist offen für Experimente; er weiß genau, wie man das Publikum für sich gewinnt, wie man Bühnen-Effekte wirkungsvoll inszeniert – ein Theater-Vollblut. 55 Theaterstücke hat er verfasst sowie 44 Libretti für Opern und Singspiele.
Doch mit Mozart teilt er nicht nur den Erfolg der „Zauberflöte“ und die Bruderschaft in der Freimaurer-Loge, sondern auch das Schicksal des Verarmt-Seins; und wie der ungleich berühmtere Komponist bekommt auch Schikaneder nur ein Anonymen-Grab dritter Klasse. Und, ebenfalls wie bei Mozart, sein Sterbehaus wurde wenige Jahre nach seinem Tod abgerissen.
Eva Gesine Baur, die unter dem Namen Lea Singer unter anderem mehrere Musik-Romane geschrieben hat, ist nach ihrer Chopin-Biographie von 2009 nun auf Schikaneders Spuren gewandelt, hat reichlich Material zusammengetragen, weit mehr als Zahlen und Fakten, sie hat Lebensfährten und Lebensumstände erkundet. Dieses Buch zeugt nicht nur von großem Kenntnisreichtum, es lebt von der eleganten Verknüpfung mit der Mozart-Vita und von der Kunst, biographische Materie so aufzubereiten, dass sie sich dem Leser anschaulich vermittelt. Schikaneders Leben an sich ist wahrlich bunt genug, doch Baur reichert es um eine nicht minder bunte Darstellungsweise an – mitunter so prall und reich, mit so vielen Aufzählungen und Detailbeobachtungen, dass man sich teilweise fragt, was davon den Quellen, was ihrer Erzähllust geschuldet ist. Authentisch wirkt es allemal.
Nur um Nuancen weniger unterhaltsam ist die neue Beethoven-Biographie des belgischen Dirigenten und Musikwissenschaftlers Jan Caeyers. Dieses Buch ist in manchem nüchterner, aber nicht weniger anschaulich. Dramaturgisch klug geklammert – im Prolog schildert der Autor den Leichenzug nach Beethovens Tod, im letzten Kapitel schließt er mit dessen letztem Atemzug – zeigt Caeyers uns Beethovens Alltag, er führt uns einen Aufsteiger vor, der mit seinem ungewöhnlichen Talent emporsteigt, ohne – à la Mozart – auf dem Silbertablett herumgereicht zu werden. Man gewinnt den Eindruck, dass Beethoven immer am besten wusste, was seine Kunst wert ist und wo er noch zu feilen hat. So entsteht das Psychogramm eines Musikers, der äußerst dünnhäutig sein konnte, zur Sturheit neigte und Probleme mit seiner Selbstbeherrschung hatte. Dennoch ist Caeyers den gängigen Klischees gegenüber (Beethoven als Titan) sehr kritisch, alle Puzzle-Teilchen, die zur Legenden-Bildung beigetragen haben, nimmt er gekonnt auseinander, ohne dabei den Hobbypsychologen herauszukehren.
Caeyers ist klug genug, bei seinen Musik-Analysen Umsicht walten zu lassen. Er konzentriert sich auf wenige, wichtige Stellen in Beethovens riesiger Notenlandschaft, und er ergreift erfreulich offensiv Partei für die vom Komponisten vorgegebenen Metronom-Angaben. Ein Anhänger verschleppender Tempi ist Caeyers mit gutem Recht nicht. Doch liefert er uns auch Neues? Nicht wirklich. Muss er auch nicht.
Eine gut zusammengetragene, auf dem aktuellsten Stand der Forschung sich bewegende Beethoven-Biographie ist auch ohne Sensationsfunde allemal eine Lektüre wert, zumal es dem Autor gelingt, Beethoven als musikalischen Visionär glaubhaft zu vermitteln. Gewiss kommt auch Caeyers nicht um die Frage herum, wer denn nun die „Unsterbliche Geliebte“ war. Worüber schon unzählige Vorträge gehalten und Aufsätze veröffentlicht wurden, entscheidet sich Caeyers nach eingehender Prüfung der in Frage kommenden Kandidatinnen gegen Antonie Brentano und für Josephine Brunsvik, mit zwei schlagenden menschlichen Argumenten: Man kannte sich lange, und die Zuneigung lag – zumal bei Brunsvik nach zwei unglücklichen Ehen – auf beiden Seiten. Doch ob Beethoven dem Beginn seiner Sonate op. 110 wirklich ein „Liebe Josephine“ rhythmisch unterlegt hat, bleibt ein ungeklärtes Rätsel.
- Eva Gesine Baur: Emanuel Schikaneder. Der Mann für Mozart, C.H. Beck, München 2012, 464 S., Abb., € 24,95, ISBN 978-3-406-63086-6
- Jan Caeyers: Beethoven. Der einsame Revolutionär. Eine Biographie, C.H. Beck, München 2012, 832 S., Abb., Notenbsp., € 29,95, ISBN 978-3-406-63128-3