Eine bekömmliche Mischung aus Routiniers und nachwachsenden Sternchen darf also nun den Winter der Phonobranche einläuten.
Die wahrscheinlich ältesten zuerst: AC/DC. Die Riffrockband aus Australien veröffentlicht ihr gefühltes 50. Album „Black Ice“. Aber langsam reiten; immerhin liegt das letzte Studioalbum acht Jahre zurück. Das Album zu erwähnen, hat mehr als Chronistenpflicht, denn in Zeiten des musischen Fast-Food-Vergnügens freut man sich, eine musikalische Stilart zu hören, die weit weg ist von den Mark Medlocks unserer Zeit. Dennoch ist „Black Ice“ kein innovativer Hammer. Es ist die erwartete AC/DC-Kneippkur: Trockenes Gitarren-Geschrubbe und Metronom-gleicher Schlagzeug-Sound. Leider aber nach fünf Songs langweilig. Einzige Ausnahme und mit Ambitionen auf einen Kulthit ausgestattet: „Rock’n’Roll Train“. Insgesamt eher für den Fan (www.acdc.com).
Desgleichen stellen die englischen Mitgründer und mittlerweile Veteranen des Britpop, Oasis, ein weiteres Album ihrer kreativen Karriere vor. Schade eigentlich, denn das Gekratze und Gebeiße der Gallagher Brüder zwischen den Alben hatte doch höchsten Unterhaltungswert. „Dig out your soul“ ist auf den ersten Blick passabel ausgefallen. Auf den zweiten Blick sogar ganz gut, denn Oasis haben den Weg zur rotzenden Gitarre, zum trotzig gebellten Gesang und zu psychedelischem „Tête-à-tête“ zurückgefunden. Radioware sucht man dankenswerter Weise vergeblich. Dafür ist das Album aufsässig, aber für den Hörer schwer zu knacken. Ein mutiges Statement (www.oasisinet.com).
Lindsey Buckingham, der seine größten Erfolge freilich mit Fleetwood Mac feierte, zelebriert auf „Gift of Screws“ großen Pop, der hauptsächlich durch Songwriter-Attitüden getragen wird. Wunderbare Melodien tauchen aus dem Nichts auf. Die gesamte Bandbreite seiner Intuition wird hörbar: rockig, poppig, countryesk. Dabei spürt man immer wieder für Bruchteile einer Sekunde den dezenten Fleetwood- Mac-Wind vorbeihuschen. Das ist legitim, und so ist „Gift of Screws“ mehr als zu empfehlen (www.lindseybuckingham.com).
Nach drei Jahren Wartezeit erfreut uns Tracy Chapman mit neuem Material. „Our bright Future“ ist in vollem Umfang (elf Songs) das, was man von ihr erwarten kann. Songwriter-Musik, die auch nach 20 Jahren Karriere unvergleichbar eigen klingt. Ihre persönlichen Gefühle kehrt sie in jedem einzelnen Song nach außen. Diese Teilhabe macht das Album zu einem besonderen, das von unzähligen erlesenen Gastmusikern begleitet wird (www.tracychapman.com). Toll!
Völlig untypisch brechen wir die strikten Genre-Grenzen und stellen fest, dass Miriam Aida mit „Come on Home“ zwar ein Jazzalbum an den Tag legt, dennoch ist das im weitesten Sinn erwähnenswerte Popmusik. Begleitet von Saxophon, Flöte, Bass, Piano und Drums, singt sich Miriam Aida nach wenigen Sekunden in unser Herz. Sie wertet einige Standards auf (Gershwin, Gillespie u.v.a.) oder macht sich über Stevie Wonder’s „Make sure you’re sure“ her. Klappt alles hervorragend. Ein großes Talent (www.miriamaida.com).
Mit einem völlig durchgeknallten Album glänzt Robert Edwin. „Messy Waves“ brilliert durch Chaos. Das betrifft sowohl das Spektrum der Songs im Gesamten, als auch die Songs an sich. Computermusik wird von echten Instrumenten unterbrochen, Heavy Metal trifft auf eine Geräuschkulisse, die man einem Comicfilm zuordnen möchte. Gesang existiert nur peripher. Und dann als verzerrte Roboterstimme. Das ist unkontrollierter Wahnsinn und nicht an einem Stück zu hören. Aber schrittweise gehört, ein charmantes Album, das unsere angetrockneten Ohren anständig durchpustet (www.stilll.org).
Diskographie
- AC/DC – Black Ice (17.10.2008, Sony-BMG)
- Oasis – Dig out your soul (06.10.2008, Verstärker)
- Lindsey Buckingham – Gift of Screws (26.09.2008, Warner)
- Tracy Chapman – Our bright Future (07.11.2008, Warner)
- Miriam Aida – Come on Home (03.10.2008, Connective Records)
- Robert Edwin – Messy Waves (10.10.2008, Stilll/Off)