Neue Platten von: Eminem, Lenny Kravitz, Billy F Gibbons, Good Charlotte und Thrice.
Kurz macht es Eminem diesmal. Knapp 45 Minuten dauert „Kamikaze“. Aber, er kann es eben auch. Ziemlich aggressiv und heftig holt Eminem zur General-abrechnung aus. Die Welt an sich geht ihm gehörig auf den Senkel. Schön. Dementsprechend hart rappt er sich durch „Kamikaze“, hält sich gar nicht erst mit platten Styles oder abgegriffenen Mainstream-Beats auf. Die dreizehn Tracks sind trotz ihrer Aggressivität sehr geschmeidig und Eminems Flow ist tatsächlich und selbst nach zehn Alben immer noch einzigartig. Wer Lust verspürt, mag sich noch an textlichen Spielereien versuchen und Eminems Wortwitz oder sein Dissing entschlüsseln. Sicher und unbesehen ebenso klug wie seine Rhymes. (Aftermath).
Echt jetzt? Neues Album von Lenny Kravitz? Na dann. Der erste Durchgang von „Raise Vibration“ ist etwas mau. Allgemeinplätze. Klassische Strukturen. Guter Gesang. Der zweite Durchgang ist erhellender. „Low“ ist da so ein Song, der beim ersten Hören untergeht. Beim zweiten Mal aber setzt sich das Fundament des ersten Durchgangs fest. Extrem cooler Groove, lässige Gitarren und das richtige Maß an erträglichem Soul-Pop. Wer tanzen kann, mag hier seinen Hüftschwung neu erfinden. Ebenso wirkt die schwülstige Ballade „Johnny Cash“ beim erneuten Hören irgendwie heimeliger. Kurzum. Lenny Kravitz schreibt weiterhin gute Songs, ist weiterhin ein begnadeter Melodiefinder, aber: Den Schuss Rotzigkeit vermisst man ja schon seit ein paar Alben. So auch auf „Raise Vibration“. Dennoch sehr vertretbar. Anspieltipps: Who really are the monsters, 5 more days ’til summer, Ride (Roxie Records).
Mit dem Titel „Legende“ muss man vorsichtig umgehen. Doch wenn es auf einen zutrifft, dann ist das sicher ZZ- Top-Gitarrist Billy F Gibbons, der mit „The Big Bad Blues“ überraschender Weise erst sein zweites Soloalbum veröffentlicht. „Perfectamundo“ war übrigens das erste Soloalbum. „The Big Bad Blues“ ist eine Komposition aus eigenen Gibbons Nummern und einigen klassischen Bluescovern. Egal. Jeder Song ist ein Hammer. Alles passt. Ein gnadenlos trockener aber erdiger Gitarrensound sorgt bei jedem Song für Kopfnicken. Gibbons Stimme ist ebenso legendär ausgetrocknet wie der Grand Canyon, die Songs, auch die langsamen Bluesnummern, rauschen in Erhabenheit durch die Zeit. Wenn man das Wort Seele in Verbindung mit Musik nennen möchte, dann ist das hier berechtigt. (Concord Records).
Good Charlotte sind diesen Herbst für den richtigen Krach verantwortlich. Irgendwie hatte man ja immer den Eindruck, die Burschen um die beiden Brüder Joel und Benji Madden würden gerne ewig die Berufsjugendlichen bleiben. Auch musikalisch. Das aktuelle Album spricht sie von diesem Vorwurf etwas frei. „Generation Rx“ bleibt natürlich dem Stil der Band treu. Das ist etwas Punk der Generation „Lehman-Pleite“, ein wenig Romantic/Emo-Rock, der in seinen Akkorden an die guten Zeiten des ewigen Geheimtipps „Dashboard Confessional“ erinnert, und da ist ohne Frage eine allgemeine Eingängigkeit in den Melodien, die eben dann nicht mehr so kantig wirken. Im Gesamtpaket kommt das allerdings gut an. Man möchte die CD oder die MP3-Files nicht gleich aus dem Fenster werfen oder im Papierkorb ablegen. Das ein oder andere Keyboard, der eine oder andere Synthie- Einsatz oder die Verwendung des Pitch Shifters (plötzlich jodelt alles) ist jedoch kaum erträglich (Actual Pain). (BMG Rights Management).
Unbedingt noch erwähnenswert ist „Palm“, das neue Werk von Thrice. Wo die Kollegen von Good Charlotte Zuckerguss verwenden, mörteln die Jungs von Thrice ordentlich auf. Das ist mächtig und empathisch, das ist heftig und lyrisch. Und wenn schon der Synthie kommen muss, dann betonieren Thrice eine unbarmherzige Bassline in den Song, mit der man zu kämpfen hat. Wie man das nennt? Rockmusik ohne Zurückhaltung. Mit dem Mut, anzuecken. Mit der Leichtigkeit, aus jedem Refrain ein Statement zu machen. „Mitreißend“ sollte ja eigentlich ein verbotenes Wort in der Musikbeobachtung sein. Doch wenn man es hier nicht verwenden darf, dann ist wirlich alles zu spät. (Epitaph).