Unter den vielen „Tribute“-Alben, die dem 1974 im Alter von 26 Jahren unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommenen und seit den 1980er-Jahren wiederentdeckten Singer-Songwriter-Genie Nick Drake gewidmet wurden, ist Joel Frederiksens „Requiem for a Pink Moon“ sicher eines der originellsten und stilistisch geschlossensten.
In Anspielung auf Drakes letzte veröffentlichte Platte „Pink Moon“, eine knapp halbstündige, nur von der eigenen Gitarre begleitete Innenschau von resignativer, gleichwohl hypnotischer Kraft, reiht der ausgezeichnete Lautenist und mit balsamischer Bassstimme ausgestattete Musiker den Frühverstorbenen gemeinsam mit dem Münchner Phoenix Ensemble in die Tradition des elisabethanischen „Lute Songs“ etwa eines John Dowland ein, dessen Lieder die 13 Drake-Arrangements sehr stimmig kontrapunktieren.
Instrumental geht Frederiksens Konzept auf wunderbare Weise auf: Die Lauteninstrumente erweisen sich als ideales Pendant zu Drakes charakteristischem Fingerpicking auf der oft in Form von „Open Tunings“ umgestimmten Gitarre. Die Übersetzung des vokalen Tonfalls gelingt nicht ganz so gut, Frederiksens fabelhafte Stimme ruht zu sehr in sich, verleiht Drakes zwischen juvenilem Überschwang und frühreifer Abgeklärtheit changierenden Texten eine Erdung und Selbstgewissheit, deren Abwesenheit in Drakes scheuem, jazzig-schwebendem Gesang so fasziniert. Daraus resultiert mitunter eine gewisse Betulichkeit, die die Originale haarscharf verfehlt. Dann ist da aber noch Timothy Leigh Evans, der nicht nur sparsame Perkussionselemente einbringt, sondern mit hellem Tenor auch manch ingeniöse Nebenstimme einflicht. In seinen Solonummern („Which will“ und „Hanging on a star“) bricht sich die zeitlose Qualität von Nick Drakes Musik dann auch am nachdrücklichsten Bahn.
Joel Frederiksen ist nicht der erste Musiker, der John Dowland als frühen Singer-Songwriter deutet. Der prominenteste Versuch in dieser Richtung kam vor einiger Zeit von Sting, dessen „Songs from the Labyrinth“ einiges Aufsehen erregten. Sting wiederum hat sich in den vergangenen Jahren den Status eines Pop-Klassikers erworben, dessen Songs aus der Police-Zeit und danach unzählige Male gecovert worden sind. Ihre ganz eigene Sicht auf dieses, ja – man kann es beinahe schon Repertoire nennen, legt nun das Vokalsextett Singer Pur vor, seine erste komplette Jazz/Pop-Veröffentlichung. Mit überragendem Ensemblegesang und untrüglichem Timing umschifft das Ensemble die eine oder andere Untiefe des Programms, jene Nummern also, die dem gediegenen mehrstimmigen Satz zum Trotz nur knapp an der Schnulze vorbeischrammen („Fields of gold“, „When we dance“) und lässt Standards wie „Englishman in New York“ in neuem Licht erscheinen.
Nicht alle Arrangements sind so originell und bringen die Stärken des Kollektivs so gut zur Geltung wie das sehr dicht gearbeitete „Wrapped around your finger“ (Richard Whilds), das jazzig-brillante „Every little thing“ (Wolf Kerschek) oder Hans Schanderls fast mystische Vision zu „A thousand years“ und nicht alle Solopassagen haben die nötige Lockerheit, um sich wirklich frei über dem Begleitsatz zu bewegen. Doch sind da anderseits magische Momente wie die Bridge in „Every breath you take“ oder der späte Überschwang im abschließenden „Let your soul be your pilot“ – hier bewegen sich Singer Pur auf dem Level, an das wir uns in den vergangenen 20 Jahren gewöhnen durften.
Joel Frederiksen: Requiem for a Pink Moon. Harmonia Mundi HMC 902111
Singer Pur sings Sting. Oehms Classics OC 827