2016 stand Gesang im Fokus meiner Jahresbilanz. Diesmal also Instrumentales, das mir in den letzten 12 bis 15 Monaten positiv aufgefallen ist, zunächst drei frühbarocke Kammermusiken: Die Academy of Ancient Music unter Richard Egarr hat sich um die enorm einflussreichen „Sonate concertate in stil moderno, libro primo“ des Venezianers Dario Castello, von dem noch nicht einmal die Lebensdaten überliefert sind, verdient gemacht (AAM); für die „Sonate da camera“ des selten gespielten Carlo Ambrogio Lonati haben sich die Ars Antiqua Austria unter der geigerischen Leitung von Gunar Letzbor engagiert (Pan Classics); und schließlich ist das Ensemble Fürsten-Musik mit „Tafelmusik am Dresdner Hof“ hervorgetreten, darunter 6 Sonaten aus Johann Wilhelm Furchheims Sammlung „Musicalische Taffel-Bedienung“ (Querstand).
Es muss also nicht immer Telemann sein, in dessen Jubiläumsjahr außer einigen „Concerti per molti stromenti“ von der Akademie für Alte Musik Berlin (Harmonia Mundi) vorwiegend ältere Aufnahmen zu Boxen gebündelt wurden.
Der holländische Cembalist und Organist Bob van Asperen hat an seinen Landsmann Reijnold Popma van Oevering erinnert und gleich alle „VI Suittes voor’t Clavier“ eingespielt (Aeolus), während nach 65 Jahren diejenigen Diabelli-Variationen von Beethoven ihre digitale Wiederauferstehung feierten, welche Paul Baumgartner eigentlich eine große Zukunft versprachen (Australian Eloquence).
Dass die Frau von Julius Röntgen nicht bloß hervorragend Geige spielte, sondern auch ebenso gut komponierte, zeigt ihr Violinkonzert d-Moll, von dem sich leider nur der erste Satz erhalten hat. Das Klavierquartett von Amanda Maier dagegen konnten Gregory Maytan, Ann-Sofi Klingberg und Freunde ebenso vollständig vorlegen wie die Werke für Violine und Klavier auf einer weiteren CD (dB Productions).
Ebenfalls ein um die Wende zum 20. Jahrhundert viel zu früh Verstorbener ist der Münchner Ludwig Thuille, von dem nun bereits zum dritten Mal die beiden kostbaren Violinsonaten aufgenommen wurden, diesmal von Elisabeth Eibensteiner und Marlies Nussbaumer (Musikmuseum).
Der russische Futurist Arthur Lourié kam gleich in den Genuss von zwei hochwertigen Gesamtaufnahmen seiner ungemein spannenden, über Skrjabin hinausgehenden Klavierwerke: Giorgio Koukl nahm mit zwei Einzel-CDs vorlieb (Grand Piano), während Moritz Ernst aufgrund einer szenischen Zuwaage eine 3-CD-Box benötigte (Capriccio). Das Violinkonzert des im Wes-ten unbekannt gebliebenen Sowjetkomponisten Boris Arapov erwies sich als ebenso große Entdeckung wie der Geigensolist Mikhail Waiman; die 50 Jahre alte Melodiya-Aufnahme klingt, als wäre sie erst gestern aufgenommen (Northern Flowers).
Unversehens geriet Jean-Luc Menets Zusammenstellung von Werken für Flöte zum Abgesang auf den verstorbenen Klaus Huber, dessen Sprechstimme wir hier ein letztes Mal hö-ren können (Stradivarius).
Von der vornehmlich als Musikdramatikerin bekannten, aber in allen Genres beheimateten Kaija Saariaho legten Meta4 nun die zweite Hälfte ihrer Kammermusik für Streicher vor (Ondine). Außerdem traf der klassische Perkussionist Jean-François Durez auf den Jazz-Akkordeonisten Richard Galliano (Indésens) – Duette und Werke mit Kammerorchester, spontane Improvisationen und ausgeschriebene Kompositionen schmeicheln den Ohren und unterhalten auf hohem Niveau.