Je nach Herkunft und Neigung einzelner Musiker oder Bands wurden im Jazz diverse Einflüsse assimiliert, meistens aus internen Ressourcen. In etwa der Dekade zwischen 1968 und 1978 nun wirkten andere, als spektakulär apostrophierte Genres auf die bis dahin selbstreferentielle Jazzszene ein, vor allem Impulse aus der Jugendkultur, genauer: Rockmusik, woraus eine Fusion genannte Stilrichtung entstand.
In Deutschland vollzog das Gitarren-As Volker Kriegel (1943–2003) ganz diskret solche Hinwendung zum Jazzrock, wie auf den hervorragend gemasterten „Mainz Studio Recordings 1963–1969“ nachzuhören ist. Sein persönlicher Elektro-Gitarrensound war bereits im Trio mit Helmut Kamper (b) und Dieter Matschoss (dr) kenntlich, das Repertoire jedoch aus dem US-amerikanischen Songbook entlehnt, insbesondere die „Django“-Hommage von John Lewis und „Rhythm-A-Ning“ von Thelonious Monk sind zu nennen. Fünf Jahre später ist sein Idiom schon deutlich, wenn er mit Claudio Szenkar (vib, conga), Dieter von Goetze (b) und Peter Baumeister (dr) seinen Bossa zu „Tea And Rum“ präsentiert. Im Quintett mit Reinhard Knieper (b), Ralf Hübner (dr) und Emil Mangelsdorff (fl) ist dann der Misterioso-Sound von Gitarre und Vibraphon in typischer Fusion beim „Little Pair“ und schließlich mit Fritz Hartschuh (vib), Gustl Mayer (ts), Hans Rettenbacher (b) und Peter Baumeister (dr) zu hören, mit charakteristischen Songs wie „Noisy Silence, Gentle Noise“ beim Dave Pike Set, außerdem Adaptionen der Beatles („Norwegian Wood“) und Frank Zappa („Mother People“). (2 CDs, Jazzhaus)
Aus klassischer Perspektive erweiterte das US-amerikanische Quartett Oregon (in dieser Besetzung 1971–1984) das Fusion-Spektrum: impressionistisch filigrane Themen von Ralph Towner an der akustischen Gitarre bereiteten Entrées für Paul McCandless (Oboe & Englischhorn), Glen Moore (b), Collin Walcott (Sitar & Perc.) und ihre verästelten Exkursionen. Feinst gewebte Motive und sensible Interaktionen wurden „Live–1974“ mit bester Tontechnik im exquisiten Sendesaal Bremen eingefangen. Inmitten eines Milieus elektrisch verstärkter Instrumente war Oregon wie „The Silence Of A Candle“ eine Oase kammermusikalischer Intuition. (2 CDs, Moosicus)
Das krasse Pendant dazu war The Pan-Afrikan Peoples Arkestra oder P.A.P.A., ein von dem Pianisten Horace Tapscott in Los Angeles 1971 gegründetes Ensemble. Dessen Album „Flight 17“ ist eine Rarität aus dem Jahre 1978, nun im besten Pure Pleasure Analog-Vinyl-Sound wiederveröffentlicht. Die Geschichte dieser unkonventionellen Big Band wäre sonst vergessen. Fast nur auf den Konzertbühnen Kaliforniens aktiv, konvergierten in ihrem Stil repetitive Muster, pulsierende Arco-Bass-Figuren und wechselnde instrumentale Kombinationen im Titelsong zu einem Trance-Tanz. Allerdings gab es eine starke Freejazz-Komponente, die nicht anarchisch-destruktiv war, sondern Afro-Latin-Strukuren auflockerte: quirlig-melodisch bei „Horacio“ oder durch einen spirituellen „Breeze“-Cantus. Kollektiv-Improvisationen waren zielgerichtet und dynamisch gesteuert. Fusion-Pioniere sind seit je eigensinnig. (LP, Nimbus West)