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Gute Nacht, John-Boy

Untertitel
Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Neues von: Gang of Four, The 1975, Damien Jurado, Jacob Brass und Fynn Kliemann.

Es ist kein uninteressantes Album, das Fynn Kliemann da mit dem Titel „Pop“ veröffentlicht. Markant und in den Bann ziehend: Kliemanns Stimme. Keine nette Stimme. Eine sehr raue, brachiale. Natürlich ehrliche. Die letztendlich und genial enervierend dafür sorgt, dass man sich die Songs anhört. Die wiederum sind das glatte Gegenteil der Kliemann’schen Stimme. Wirken teils wie ein Karaoke-Playback. Wie am Reißbrett konstruiert. Ohne Schärfe. Ohne Tiefe. Was halt so in der Schublade des Produzenten übrig war. An hippen Beats und neuen Sounds nach dem Update der Aufnahmesoftware. Doch eventuell ist es exakt diese Mischung. Einerseits ein etwas liebloses Songdesign. Andererseits eine Stimme, die daraus etwas machen kann. Zumindest bügelt Kliemanns Stimme einige musikalische Trivialitäten aus. Dass Kliemanns Texte freilich nur eine Wiederholung all der Metaphern, Kalendersprüche und Sinnfragen der deutschsprachigen Popmusik der vergangenen zwanzig Jahre ist, mag man vernachlässigen. Man kann „Pop“ trotzdem liebgewinnen. (twoFinger Records)

Vielleicht hat Jacob Brass als Singer und Songwriter genau das, was oben vorgestelltem Kliemann noch fehlt. Jacob Brass hat auf „Circletown“ unendlich viel Zeit, Frieden und Sehnsucht. Abgeklärt wäre jetzt fast beleidigend. Traumwandlerisch sicher fast schon floskelhaft. Doch Jacob Brass Songs kommen zum Hörer. Nicht umgekehrt. Zwischen Piano („Reason“), lakonischem Schlagzeug („Mystery Road“) und Akustikgitarre („Circletown“) deponiert Jacob Brass seine Songs. Farbtupfer, möchte man vielmehr sagen. Die Songs sind weit von aufgesetzter Niedergeschlagenheit entfernt. Weisen dennoch eine angemessene Portion Elend und Seelenschutt auf. Die man eben mitträgt. Mit sich und dem Leben. Und sicher hat „Circletown“ auch Stolperstellen (Stichwort: Kloß im Hals). Schönes Album. (Jacob Brass)

Mit „What’s New, Tomboy?“ erinnert uns der Singer und Songwriter Damien Jurado zumindest titel- und covermäßig irgendwie an manch längst vergangene Fernsehstunde mit den Waltons. Wobei es ja keinen Tomboy gab. Soviel zum Rahmenprogramm. Musikalisch zeigt Damien Jurado genau das, was man an ernsthaften Songschreibern so schätzt. Wunderbare Melodien, die Bedeutung haben. Eine bescheidene, unaufdringliche Stimme, die dennoch erzählen kann. Instrumente, die begleiten. Nicht leiten. Und eine Grund­idee. Der man Schritt für Schritt folgen kann. Die einen aber nie übermäßig beansprucht oder vereinnahmt. Ein Album, das den ausklingenden Frühling mit dem bald beginnenden Sommer schon fast schelmisch locker verbindet. (Loose Music)

The 1975 wollten offensichtlich einfach mal cool sein. Nur so ist das Album „Notes on a Conditional Form“ zu erklären. Im Prinzip gibt es alles zu hören. Songs ohne Gesang („The End“), Frauenstimme verzapft Unsinn zu Pianoklängen („The 1975“), verzerrter Gesang mit undefinierbarer Punk/Garage/Industrial-Instrumentierung („People“), Sandkasten-Loops aus der Apple App Garage Band („Streaming“) oder belangloser, klebriger Zuckerwatte-Pop ohne Idee („Me & You Together Song“). Dass in manchen Songs ab und an gar keine uninteressanten Elektronik-Loops und Beats auftauchen fällt leider nicht mehr so ins Gewicht. Was sagt uns ein Album wie „Notes on a Conditional Form“ letztendlich über die Popindustrie? Dass man auch damit durchkommt, mal uninspiriert zu sein. Mal ideenlos zu sein. Und trotzdem motiviert genug, das künstlerisch umzusetzen. Beliebigkeit als Konzept? Kann funktionieren. Man muss das Konzept nur ernsthaft ausarbeiten und als „Alternative“ verramschen. Siehe The 1975. (Dirty Hit)

Kommen wir nun zu den großen Jungs des „Alternative“-Genres. Gang of Four sind alles, was man je von dieser Schublade erwartete. Rockmusik im Kern. Dazu Funk, Rap, Melodien und eine Haltung. Gerne auch irgendeine. So funktionieren Gang of Four seit Jahrzehnten. „Entertainment!“, das neue Album geht auch weiter diesen Weg. Es ist diese prickelnde Klarheit der Songs, der kargen aber kraftvollen Riffs. Der lauschenswerten politischen Aussagen. Und wenn die Songs dann trotz Politik tanzbar werden („Damaged Goods“, „Glass“), merkt man schnell, woher „The New Alternative Generation“ wie The Hives, The Vines, The Libertines, The Strokes oder die Kaiser Chiefs eigentlich kommen. Gang of Four haben die sicher mal gehört. (Gill Music)

 

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