Idyllisch wohlklingend fällt die vorstellenswerte Frischware der spätsommerlichen Plattentheke aus. Nils Wülker und sein neues Album „Turning the page“ ist vorderhand anzuführen. Ganz klar – auf das vergangene Album „Safely Falling“ hat er noch einen drauf gesetzt. Es ist irgendwie Jazz. Aber nicht markant gekennzeichnet. Eindrücke holt er sich von überall. Und schafft es, Bilder beim Hörer zu provozieren. Zwischen romantischen und glasklaren Illusionen wandeln die Songs. Einer führt zum nächsten. Seine Songs sind gekonnt aufgekratzt, stehen aber nicht alleine da, wie man das oft von Albumsongs kennt. Es handelt sich hörbar um eine Schaffensperiode, die Nils Wülker samt erstklassiger Band festgehalten hat. Es ist fast schon zu perfekt. Aber deswegen nicht weniger schön (www.nilswuelker.com).
Philipp van Endert plump in den Jazz einzuordnen, wäre unangebracht. Dafür ist der Ausnahmemusiker, Gitarrist und Komponist zu quirlig. Zu hören ist auf „Ballads & Chills“ eine Kompilation seiner besten Balladen und Ausruh-Songs. Also eine relaxte „Best of“-Platte. Zu hören ist Philipp van Endert auf der CD mit seinen bemerkenswertesten Projekten, die ihn die letzten Jahre begleitet haben: das Philipp van Endert Trio, die Philipp van Endert Group, Magnolia & Van Endert und das Lajos Dudas Quartett. Eine willkommene Zerstreuung, wieder einmal Philipp van Endert zu hören. Zumal die kommenden Monate beschaulicher werden (www.pve.de).
Eine wunderbare Gemeinschaftsarbeit führte zur Platte „Alice sings the Petterson Songbook”. Der dänische Tonsetzer Mikkel Petterson pflegt seit 30 Jahren eine Passion für Broadwaymusik, Klassik, aufpolierte Popmusik oder auch Jazz. Die Sängerin Alice Carreri, desgleichen Dänin, singt nach ausgiebigem Studium ganz reizend und so bot sich eine Kooperation an. Alice singt die besten Kompositionen des Mikkel. Zu hören sind Musicalkompositionen, Pop oder jazzig swingende Orchesterarrangements, die mühelos von Alice Carreris Stimme gehalten werden. Für zwischendurch ist „Alice sings the Petterson Songbook” eine zeitlose Musikmagerkost, die Tristesse verbannen kann (www.alicesings.com).
So scheppern britische Bands, wenn sie nicht gerade eine Ausnahmestellung wie Coldplay oder Radiohead besitzen: Fragmente der Beatles, um Authentizität und Musikkultur zu zeigen; Tonfolgen, die von Pulp oder Blur aus neuerer Momenten bekannt sind, um Zeitgeist zu bekunden. Fertig ist das nächste große Ding aus UK und heisst: Dirty Pretty Things. Ihr zweites Album „Romance At Short Notice“ ist zunächst einmal feudal gemischt. Aus den Songs selbst lässt sich kaum neue Schöpferkraft ziehen; zu eingefahren ist der eigentümliche dünn gebohrte Gitarrensound, der 60er-Jahre-Beat und der widerborstige bis dreiste Gesang, der uns glauben machen will, da stünden 14-jährige Rotznasen und machen Straßenmusik um den Kühlschrank zu füllen. Leider ist die Platte dann doch gut und besser als alle Britpop-Plagiate, die sonst so aus allen Nicht-UK-Ländern über uns herfallen. Aber aufgekratzt ist schon anders (www.dirtyprettythingsband.com).
Mächtig rockig trampelt Wilson jr. aus Würzburg daher. Emo-Rock heisst der Leitgedanke auf der deutschsprachigen Veröffentlichung „Messer.Seele.Liebe.Licht“. Eine imposante Gitarren-Produktion liefert den Ausgangspunkt für ein überzeugendes Album, das sich – abgesehen von der Sprache – kaum von vergleichbaren amerikanischen Platten unterscheidet. Die Band weiß, was sie will, das hört man den Songs an (www.wilsonjr.de).
Diskografie
Nils Wülker – Turning the page (22.8.2008, Ear Treat)
Philipp van Endert Trio – Ballads & Chills (29.8.2008, Jazz Sick Records)
Alice sings the Petterson Songbook – Alice sings the Petterson Songbook (22.8.2008, Divine Records)
Dirty Pretty Things – Romance At Short Notice (22.8.2008, Universal)
Wilson jr. – Messer.Seele.Liebe.Licht (15.8.2008, Consolidate Records)