Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kein Sommerloch

Untertitel
Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
Publikationsdatum
Body

Neues von: Kesha, Triggerfinger, Steven Wilson und Lana Del Ray.

Lana Del Ray schaffte es mit einem fast uninspiriert wirkenden Song (Video Games, 2011), Herzen und mit dem zugehörigen Album „Born to Die“ jede Menge Charts zu erobern. Die folgenden Alben „Ultraviolence“ (2014) und „Honeymoon“ (2015) konnten zwar nicht mehr ganz die Topplatzierungen erreichen, bewiesen jedoch, dass Lana Del Ray a) kein Onehitwonder sein wird und b) eine verdammt talentierte Songwriterin ist, deren oft demotivierend dargebotene Songs unfassbares Potential in sich tragen. Das aktuelle Album „Lust for Life“ reiht sich 2017 nahtlos ein. „Lust for Life“ ist entschleunigt, klingt nach Vinyl, hat emotionale Patina und läuft keinem Trend hinterher. Natürlich ist die verpönte Melancholie ständig im Vordergrund. Selbstverständlich hadert Lana Del Ray dauernd mit dem Leben und der Liebe. Aber sie macht das in der gebotenen Ehrlichkeit und das macht „Lust for Life“ zu einem einzigartigen, wenn auch nicht großartigen Album. Anspieltipps: Lust for Life, White Mus-tang, God bless America – and all the beautiful women in it. (Vertigo Berlin)

Steven Wilson (u.a. Porcupine Tree) geht mit seinem Soloalbum „To the bone“ irgendwie neue Wege. Waren diverse Vorgänger seiner Solokarriere durch Sperrigkeit und Baustellensongwriting gekennzeichnet, verwundert „To the Bone“ mit klaren Strukturen, mit transparenter Übersichtlichkeit und ja, wahrscheinlich sogar mit einem roten Faden. Man möchte im Zusammenhang mit Steven Wilson, diesem Tüftler und Ausprobierer, das Wort Pop gerne vermeiden, aber dieses Album ist gehobener Pop. Hier sitzt jeder Gitarrensound, jede Fläche hat ihre Berechtigung und das böse Wort „Dynamik“ wird von Steven Wilson lehrbuchmäßig aber nicht gekünstelt zelebriert. In manchen Momenten, wenn man die Augen schließt, könnte man ganz unverdächtig ein wenig des späten Peter Gabriel aus Wilsons Songs hören, aber das soll nur ein ganz kleiner Richtungshinweis sein. Anspieltipps: The Same Asylum As Before, Permanating, Song of I. (Caroline Distribution)

Triggerfinger, das freundliche belgische Rocktrio, kratzt mit dem fünften Album „Colossus“ weiterhin an der Schwelle zum kompletten Erfolg, auch Durchbruch genannt. Zwar konnten sie  2010 mit dem „I follow rivers“-Cover der schwedischen Sängerin Lykke Li schon beachtlicher als vorher aus der Pop-/Rockmasse hervorlugen, dennoch kam danach wieder alles ins Stocken. Dabei ist der Sound des Trios auch 2017 unverblümt rau, eckig und kantig. Die Songs haben diesmal die ein oder andere Erneuerung verpasst bekommen. Bläser sind zu hören, Samples begegnen einem hier und da, sogar Streicher versuchen sich im Abrunden der Songs. Insgesamt ist das wie immer echt sympathisch, was die Burschen da abliefern. Weder kopiert noch zitiert oder kleinkariert. Triggerfinger haben einen eigenen Sound, der wuchtig sein kann, aber auch zarte, fast weibliche Seiten vermuten lässt. Man kann die Belgier nur weiterempfehlen und jedem ans Herz legen. Anspieltipps: Flesh Tight, Candy Killer, That’ll be the day. (Mascot/Rough Trade)

Kesha, die erst kürzlich einen jahrelangen Prozess (u.a. wegen sexuellen Missbrauchs) gegen ihren ehemaligen Produzenten Dr. Luke und damit auch irgendwie gegen ihr Label Sony verloren hat, meldet sich nach einigen Jahren Pause mit dem Album „Rainbow“ zurück aus den düsteren Zeiten. Ob das Album nun ein Befreiungsschlag war und ist, kann nur Kesha selbst beurteilen. Zu hören sind jedenfalls vierzehn Songs. Und deren erster, „Bastards“, zeigt sich als an Pink erinnernde Ballade und damit auch als sehr ungewöhnlichen Türöffner für ein Album. Dass die Ballade textlich wohl eine ziemlich unverhohlene Abrechnung mit den Dämonen der Vergangenheit ist, liegt auf der Hand. Dann jedoch geht es aber zügig sowie poppig weiter und letztendlich darf man feststellen, dass Kesha freilich nichts Neues im Popsandkasten erfunden hat. Kesha verwendet die gleichen Förmchen wie Pink, Taylor Swift, Rihanna und wie sie alle heißen. Da ändert auch die Zusammenarbeit bei „Let’Em Talk“ und „Boogie Feet“ mit den Eagles of Death Metal nichts. Aber: Sie macht das nicht plump, sondern durchaus irgendwie höflich. Schön: die Zusammenarbeit mit Dolly Parton (bei „Old Flames“). Anspieltipps: Bastards, Finding You, Old Flames. (Kemosabe Records)

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!