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Olivier Messiaen: Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus; Martin Zehn, Klavier.
Arte Nova 74321 85292

Martin Zehn hat eine ganz besondere Nähe zum Werk Messiaens. Hier sein schönster Beweis. Wie subtil, wie farbenreich, wie aufregend abwechselnd sind doch diese zwanzig Betrachtungen, ein zentraler Klavierzyklus der ganzen Musikliteratur, gespielt! Ein tiefes Erlebnis an interpretatorischer Genauigkeit und an Weite der Welterfahrung.

Farben der Stille. Werke von Toru Takemitsu, Scott Roller, Morton Feldman, Kaija Saariaho und Albrecht Imbescheid; Ensemble Gelber Klang
Cybele SACD 361.201

Aufregend konturenreich sind alle diese stillen Stücke gespielt. Nicht nur die genaue und sensible Interpretation durch das vorzügliche Ensemble Gelber Klang besticht, sondern auch die behutsame, gewissermaßen ein spektrales Feld aufbrechende Auswahl der Stücke.

Iannis Xenakis: Kraanerg; Sinfonieorchester Basel, Alexander Winterson
col legno WWE 1CD 20217

Das Ballett „Kraanerg“ ist eine der massivsten und klanglich aufregendsten Partituren von Xenakis. Man befindet sich im Würgegriff der Klangmassen, der stochastischen Prozesse, die wie in einem Schmelzprozess von Metall immer andere Farben und Bewegungsstände auswerfen. Der Anspruch an die Ausführenden ist außerordentlich hoch. Das Sinfonieorchester Basel, ein kleiner Abstrich, vermag leider das Exzesshafte dieser Musik nicht in letzter Konsequenz zu realisieren.

Alfred Schnittke: Klavierquintett; Dmitri Shostakowich: Streichquartett Nr. 15.; Alexei Lubimov, Klavier; Keller Quartett
ECM 1755 (461815-2)

Bestbesetzung! Lento steht als Titel über der CD und der unergründliche Reichtum des Langsamen wird hier gleichsam zelebriert. Schon der Beginn von Schnittkes Klavierquintett im Klavier reißt durch Lubimovs unvergleichliches Spiel Welten der Schatten und eines samtig gedämpften Lichtes auf. Immer wieder: Arbeit an jedem einzelnen Ton, dessen Schwingungs- und Verlaufskurve wie eine Monade das ganze Universum des Werks birgt. Wer vermöchte das eindringlicher als diese Interpreten? Und so ein Ausnahmewerk wie Schostakowitschs Quartett ist ganz in diesem Sinne komponiert.

Carl Orff: Trionfi (Carmina Burana; Catulli Carmina; Trionfo di Afrodite); Diverse Sänger; Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Eugen Jochum.
DG MONO 474 131-2

Aufnahmen aus den Jahren 1953 bis 1956. Eugen Jochum in Seelenverwandtschaft zu Carl Orff. Man mag sich am heute fremdartig wirkenden Duktus mancher solistischer Sänger stören, aber die harmonische Selbstverständlichkeit und das Gefühl für natürliche Architektur und für Spannungsbögen, die ganz ohne demonstratives Gebahren daherkommen, sind heute so kaum mehr möglich. Eine wirklich sinnstiftende Wiederauflage.

Händel: Rinaldo; David Daniels, Deborah York, David Walker u.a.; Bayerisches Staatsorchester, Harry Bicket; Regie: David Alden (2001)
Arthaus/Naxos DVD 100 388

Weder ideologische Verbissenheit, noch demonstrativ oppositionelle Kampfansagen – für Regisseur David Alden ist „Rinaldo“ eine Musical-Revue, eine Comic-Story im Kreuzfahrer-Milieu. Zumal mit David Daniels als Titelhelden auch die Besetzung viel zu bieten hat.

Carlos Kleiber – Probe und Konzert: Südfunk-Sinfonieorchester, Carlos Kleiber; Regie: Dieter Ertel (1970)
TDK/Naxos DVD DV-DOCCK

Wenn er in der Dokumentation seinen Musikern rät, sie sollten den ersten Piano-Einsatz der Freischütz-Ouvertüre ihrem Nachbarn überlassen – dann erhält man Ahnung davon, weshalb Kleibers Interpretationen vor Musikalität und Menschlichkeit nur so sprühen.

Puccini: La Bohème; Mirella Freni, Gianni Raimondi, Adriana Martino, Rolando Panerei u.a.; Chor und Orchester der Mailänder Scala, Herbert von Karajan; Regie: Franco Zeffirelli (1965)
DG/Universal DVD 073 027-9

Man sollte keine hochtrabenden Regie-Konzepte von Zeffirellis naturalistischer Verfilmung erwarten. Aber Karajans vor Leben vibrierende Hand und die Kombination Freni/Raimondi erzeugen eine Theateratmosphäre, die manch aktuelleres Video aussehen lässt wie einen profanen Abklatsch von Puccinis Wintermärchen.

Bach: Konzert für Violine BWV 1041; Beethoven: Sonate für Violine Nr. 5 op. 24; Debussy: Clair de lune und anderes; David Oistrach u.a., English Chamber Orchestra, Sir Colin Davies
EMI DVA 4928369

Was diese DVD mit David Oistrach so besonders macht, ist die Aufzeichnung von Bachs a-Moll-Konzert: Der langsame Satz wird zum freischwebenden Gesang im endlosen Strom der Töne.


Bücher

Kathy Kacer: Die Kinder aus Theresienstadt, mit Zeichnungen von Helga Weissová, Ravensburger Taschenbuch, Ravensburg 2003, 224 S., € 6,95, ISBN 3-473-58188-7

Hans Krásas 1943 in Theresienstadt uraufgeführte Kinderoper „Brundibár“ hat unter anderem dank des international angelegten „Brundibár-Projektes“ der Jeunesses Musicales Deutschland in den letzten Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Über die Zeit der Proben und Aufführungen der Oper im Getto hat die kanadische Autorin Kathy Kacer einen beeindruckenden Roman für Jugendliche geschrieben, in dem geschildert wird, wie Musik und Theater bei Kindern inmitten eines unvorstellbar grausamen Umfeldes doch Hoffnung und Begeisterung zu wecken vermögen.

Hans Joachim Kreutzer: Faust. Mythos und Musik, Beck, München 2003, 187 S., € 29,90, ISBN 3-406-50464-7

Einen weiten Bogen spannt Kreutzer von der Ursprungsform des Faust-Mythos zu Schnittkes Oper „Historia von D. Johann Fausten“. Im Vordergrund steht dabei die Untersuchung von ausgewählten Werken aus dem Bereich des Musiktheaters, die in den vergangenen zweihundert Jahren maßgeblich die Fortentwicklung des Mythos getragen haben.

Antje Grajetzky: Komponisten und Ingenieure, Pfau Verlag, Saarbrücken 2003, 97 S., Abb., € 14,-, ISBN 3-89727-214-8

Die enge Verzahnung zwischen den Entwicklungen auf dem Gebiet der elektronischen Klangerzeugung und den Konzepten elektroakustischer Musik hat ein ganz eigenes Beziehungssystem zwischen Komponist, Instrument, Interpret und Rezeption geschaffen. Antja Grajetzky zeichnet die spannende Geschichte einer Musik nach, die sich im Wechselspiel zwischen musikalischer Kreativität und einem rasanten technischen Fortschritt vollzogen hat.

Johann Lütter (1913–1992): Vier Kanons für Streichquartett. Partitur und Stimmen. Dohr E.D. 20704 (2001).

Was dieser rheinische Komponist bereitstellt, sind wenige Takte umfassende, aber kontrapunktisch interessante Gebilde, bei denen jeweils zwei der Quartettstimmen den strengen Kanon abgeben, während die beiden anderen ein eigenes melodisches und leicht imitierendes Eigenleben entwickeln.

Gott loben – das ist unser Amt. Orgelvorspiele zum Evangelischen Gesangbuch, hrsg. von Christian Lehmann. Bd. 3: Gottesdienst... (von insgesamt fünf Bänden). Merseburger EM 1860

Für die gottesdienstliche Praxis und besondere kirchliche Anlässe finden sich hier für die Kirchenlieder Nr. 155 bis 269 kleine, unschwierige, in Satzgestaltung und Klanglichkeit zeitgemäß empfundene Vorspiele und Intonationen, meist manualiter spiel- bar, geschrieben von einigen Dutzend Komponisten des 20. Jahrhunderts.

John Wilbye (1574–1638): Wereep, weep mine eyes (Weinet, weinet meine Augen), für Blechbläserquintett arr. H.M.Dücker. Partitur und Stimmen. J. Weigert, Berlin (2001).

Dieser englischen Madrigalkünstler versteht es, seinen Gedanken expressiven Ausdruck zu verleihen. Hier bringt die Bläserbesetzung das Stimmengewebe pathetisch zur Entfaltung.

Fulvio Caldini (*1959): Fade-Control op. 47/c (1990) für vier Blockflöten Sopran, Alt, Tenor, Bass; Partitur und Stimmen. Ed.Moeck 2823 (2003).

Diese Blockflöten-Fassung ist neben drei weiteren für verschiedene Holzbläser mit Klavier wohl diejenige, in der die Intention dieses exponierten Avantgardisten am meisten überzeugt. Im typischen Stil nordamerikanischer „minimal music“ entwickelt sich das in harten Reibungen lebende Klanggeschehen von Pointilismus über einen polyrhythmischen Teppich zu einem akkordischen Stretta.

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