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À la recherche du Jazz feministe

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Jazz-CDs mit Musik von Eva Klesse, Clara Haberkamp, Duo Alcyona Mick und Tori Freestone, Kadri Voorand und Simone Kopmajer.

Die maskuline Dominanz im Jazz bröckelt seit langem. Dennoch, es gibt Einschränkungen: frei nach Marcel Proust begegnen À la recherche du Jazz feministe meistens Sängerinnen als Frontfrau einer Combo, wie Simone Kopmajer aus Österreich, die gern einen „Spotlight On Jazz“ richtet. Und zwar im Swingstil, durch den ihre (manchmal seduktive) Stimme galant gut gelaunte Geschichten erzählt, die von einem versierten Quintett (p, git, b, dr, ts) gerahmt werden. Maître de plaisier ist dabei Tenorsaxophonist Terry Myers, sozusagen als Secondo das verinnerlichte Retrogefühl auch in Standards wie „Pennies From Heaven“ aufpeppend. (Lucky Mojo)

Im Unterschied zu solchen eher affirmativen Songs favorisiert die estnische Sängerin und Pianistin Kadri Voorand auf „Armupurjus“ (Love Intoxication) Konflikte aus gegenwärtigem Alltag, die sie mit intensiver Stimmakrobatik bei krachendem Rhythmus zu dynamischen Sounds herausbringt. Sie ist „A Woman“ mit ungeheurem Temperament, die ihr Quartett (g, b, dr, p) antreibt: Elegante Folk-Riffs in cantablem Cello-Part können dann zu impulsivem Jazzrock gedreht werden oder ein Choral mit Electronic-Ondulationen zum suggestiven Groove mutieren. (Avarus)

Ultramodern orientiert vergnügt sich das britische Duo Alcyona Mick (p) und Tori Freestone (fl, ts, ss) mit „Criss Cross“, also Kreuzworträtsel, das es per „Exchange“ im ungerade rollenden Turbo-Tempo eines Balkan-Metrums intuitiv sicher füllt. Thelonius Monk entlehnte Klavier-Harmolodik fügt sich so als „Strange Behaviour“ zu lakonischen Sax-Motiven, während die Latin-„Hermetica“ extrem beschleunigte und dissonat gereizte Unisono-Passagen von Flöte und brillanten Scats der Sängerin Brigitte Beraha ein stures Klavier-Ostinato quer kontrastieren. (Whirlwind)

Für ein solistisches Projekt entschied sich Clara Haberkamp aus Berlin, bei dem sie ihr Klavier aus einem Trio heraus- und für sich als Songwriterin hinzugenommen hat, um ihre reflektierende Lyrik mit Blick auf einen „Neon Hill“ zu begleiten. In dieser eigentlich kahlen urbanen Umgebung sucht sie Zuneigung, Liebe, Nähe, von ihr in sehr subtiler Prosodie, gedämpften Vokal-Timbres und unprätentiösen Improvisationen dargestellt. (Traumton)

Für die musikalische Poesie der zehn „Miniatures“ genügt der Schlagzeugerin Eva Klesse aus Werl (NRW) ein Kammerjazzquartett (ohne Gesang), denn ein Klavier-Arpeggio kann, geführt von Bass-Flageoletts und dezenten Drum-Akzenten, durchaus eine melancholische „Ballade auf zwei Beinen“ balancieren. Dazu braucht man manchmal die tuckernde Lebensenergie „Orm“, von Sax-Deklamationen und perkussiven Kontras gezähmt. Oft pendelt dieser Zyklus so zwischen den „Gravity“-Polen Anziehung und Abstoßung, erlaubt weite Spannungsbogen und „Back And Forth“ das Gefühl einer imaginären Reise durch Jazz-Spontaneität und klassisches Formbewusstsein in zeitgenössische Artikulation. Spätestens jetzt wird klar, dass Frauen ihre eigenen Methoden und Fähigkeiten haben, Respekt im Jazz zu erreichen, indem sie ihre kreativen Kompetenzen nicht auf bestimmte Genres und Rollen festlegen lassen. (Enja)

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