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Lyrik und Ebenmaß: der Symphoniker Lodewijk Mortelmans wiederentdeckt

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Endlich kommt mit Lodewijk Mortelmans (1868–1952) Belgiens erster herausragender Symphoniker zu „diskographischen Ehren“. Zwei der hier eingespielten Werke, die „Homerische Symphonie“ (1898) und „Morgenstemming“ (1922), sind in den letzten Jahren in der Serie „Repertoire Explorer“ zudem in Studienpartitur erschienen, was der Verbreitung und Überprüfbarkeit der Resultate immense Dienste erweist. Mortelmans war Schüler von Peter Benoit, dem „Vater der flämischen Musik“, der mit seinem sakralen magnum opus „Hoogmis“ (hohe Messe) hohe Maßstäbe konservativer Prägung gesetzt hatte.

Mortelmans’ Hausgötter waren Bach, Beethoven und Wagner, und das ist deutlich zu hören. Insbesondere Wagners Melos und Harmonik haben – in besänftigter, handwerklich vollendeter Weise – ihre Spuren hinterlassen. In der „Homerischen Symphonie“, dem dreiviertelstündigen Hauptwerk, erweist sich Mortelmans als schwärmerischer Lyriker von klassischem Ebenmaß und baut die große Architektur mit äußerster Ökonomie aus einem Minimum thematischen Materials. Auf einen maßvoll heroischen, innig empfundenen, hymnisch leuch-tenden und großzügig konzipierten Kopfsatz folgt als Zentrum des Werkes ein tragisches Lento, das in seiner objektiv archaischen Gemessenheit zum fesselnden Trauermarsch wird und in seiner puren Schönheit und Größe eine schier endlos scheinende Tragfähigkeit der Innenspannung entwickelt.

Darauf kommt ein bewusst flüchtig anmutendes, sanft ornamentisches, jugendstilhaftes Sirenen-Scherzo mit bewegendem Trio und ein majestätisch triumphierendes, nobles Finale, das bei allem Prunk nie umschlägt in affirmative Entäußerung. Beigegeben sind zwei symphonische Gedichte, das frühe „Mythe der lente“ (1895) mit einem der Edda entlehnten, pantheistisch-fantastischen Programm, und durchaus mit romantischem Drama, und die späte „Morgenstemming“ – reine Empfindungsmalerei in festgefügter, dabei flüssig ineinander gleitender Form, ein Spiel überwiegend naturhaft-intimer Farben und Stimmungen, gebettet in klarer motivisch-harmonischer Struktur und – darin vergleichbar dem Österreicher Joseph Marx oder den lyrischen Schöpfungen Respighis – im Grundduktus eine Symbiose von Wehmut und Leichtigkeit wie ein knospendes, geträumtes Echo verlorener Zeiten. Die Königlich Flämische Philharmonie unter Martyn Brabbins spielt gediegen in transparentem, prächtigem Klangbild.

Lodewijk Mortelmans: Homerische Symphonie, Morgenstemming, Mythe der lente; Martyn Brabbins dir. Königliche Flämische Philharmonie. Hyperion CDA 67766 (Vertr. Codaex)

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