Michael Kube hat in der letzten Woche Neue Streichquartette in der HörBar der nmz unter die Lupe genommen. Es spielen das Helikon Quartet, das Arditti Quartet, das Albis Quartett, das Klangforum Wien und das Engegård Quartet Werke von Marten Ter Horst, Stefano Scodanibbio, Klaus Fischer-Dieskau, Javier Quislant und Johan Kvandal.
Michael Kubes HörBar Nr. 110: Neue Streichquartette
Maarten Ter Horst / Helikon Quartet
„Aimez-vous Brahms?“ So jedenfalls wird man nach dem ersten Satz des hier eingespielten Streichquartetts Nr. 1 e-Moll aus den Jahren 2017/20 fragen. Natürlich handelt es sich um kein Plagiat, aber Maarten Ter Horst (*1987) knüpft hier ganz bewusst an der Harmonik und dem musikalischen Ausdruck der fortschreitenden zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an. Der Gestus erinnert tatsächlich in einzelnen Passagen an den großen Hamburger, dann aber geht es in Sequenzstrecken und Tremoli weiter, die einen eher an Schubert denken lassen. …
Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet
Seit seinem Tod ist es um die Musik von Stefano Scodanibbio (1956–2012) recht ruhig geworden. Das vorliegende Album eingeschlossen, sind lediglich drei CDs erschienen – zu wenig, wenn man sich auf die fantastische Klangwelt des zuletzt in Mexiko lebenden Italieners einlässt. Selbst auch der wohl bedeutendste Kontrabassist seiner Zeit, kann Scodanibbio als Prototyp des alten wie auch neuen Interpreten-Komponisten gelten: Durch die von ihm erforschten und eingeführten Spielweisen erweiterte er auch seine eigene musikalische Sprache – nicht nur auf dem Bass, sondern auch weit darüber hinaus …
Klaus Fischer-Dieskau / Albis Quartett
Wen das Lesen des Namens überrascht, dem ergeht es beim Hören der Musik kaum anders. In der Tat handelt es sich bei Klaus Fischer-Dieskau (1921–1994) um den älteren Bruder des deutschen Lieder-Fürsten Dietrich Fischer-Dieskau, der mit seiner markanten, das Wort musikalisch deutenden Art des Vortrags mindestens eine ganze Generation geprägt hat. Um den älteren ist es hingegen weitgehend ruhig geblieben und noch mehr geworden: Wohl nur in Berlin ist Klaus Fischer-Dieskau als ehemaliger Leiter des Hugo-Distler-Chors im Gedächtnis; dass er auch komponierte, dürfte nur wenigen bekannt oder erinnerlich sein. …
Javier Quislant / Klangforum Wien
Auch wenn das Album nur eine Spielzeit von knapp 48 Minuten aufweist: Man wird wahrlich weit mehr Zeit, ruhige Zeit, aufwenden müssen, um sich mit den hier exponierten Klanggestalten von Javier Quislant (*1984) vertraut zu machen. Die vier Sätze von Sinuoso Tiempo (2019–2021), was soviel bedeutet wie „gewundene Zeit“, werden dabei im Untertitel als „Cycle for String Quartet“ bezeichnet – eine Bezeichnung allerdings, der der recht flexible Ablauf des Werken kaum entspricht, ihr sogar zuwider läuft: …
Johan Kvandal / Engegård Quartet
Es mag noch immer überraschen, dass Mitte des 20. Jahrhunderts im Norden Europas keine radikalen ästhetischen Brüche zu verzeichnen waren, obwohl auch dort der Zweite Weltkrieg seine Spuren hinterlassen hatte. Dies gilt nicht nur für Schweden, sondern auch für Norwegen und hier insbesondere für Johan Kvandal (1919–1999), der neben seiner schöpferischen Tätigkeit in Oslo als Organist und Musikkritiker arbeitete. Seine nun auf einem Album neu und vollständig eingespielten Streichquartette geben Einblick in ein vollkommen unabhängiges Schaffen, das seine Wurzeln in der spätromantischen deutsche Schule in Leipzig (Karl Marx) hat …
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