Neue Aufnahmen von und mit: Edition Musikfabrik, Sidney Corbett, Lukas Lauermann und der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik.
„Stille“ ist die aktuelle Ausgabe der „Edition Musikfabrik“ überschrieben und doch ist diese beeindruckend intensive Produktion doch eher gekennzeichnet von existentieller Dramatik denn Kontemplation. Besonders im Blickpunkt: Georg Friedrich Haas. Seine raumgreifende Ensemblekomposition „Ich suchte, aber ich fand ihn nicht“ (2011) präsentiert einen Haas in Bestform, was die rauschhafte Entwicklung mikrotonaler Klangprozesse und Obertonspektren betrifft. Das Ensemble Musikfabrik bewegt sich hier wie ein glissandierender Raumgleiter durch transzendente Sphären. Auch im Liederzyklus „…Wie stille brannte das Licht“ (2009) schieben sich mächtige Glissandi und Crescendi durch die Sehnsuchts- und Angst-(T)Räume der Texte von Trakl, Storm, Stramm und Lasker-Schüler. Mit einem kontinuierlichen Rauschklang hebt Jani Christous „Anaparastasis III“ (1968) an. Eine faszinierende Ausgrabung eines allzu früh Verstorbenen, die hier mit katastrophischen Abstürzen und panischem Geschrei zum verstörenden Happening wird – grandios. (Wergo)
Sidney Corbett hat sich von den ästhetischen Trends seiner Zeit schadlos ferngehalten und gerade damit seine Eigenständigkeit behauptet. „Oversexed and Underfucked“ (2013) könnte auch ein Titel von Frank Zappa sein, dem das Stück gewidmet ist, und tatsächlich scheinen die Anfangstakte Zappas Perkussionistin Ruth Underwood geradewegs die Ehre zu erweisen. Parallele Einflüsse von Jazz und klassischer Moderne sind typisch für Corbett, was sich in „The Celestial Potato Fields“ (2004) als Ives-Hommage zwischen filetiertem Glocken-Choral und Boogie-Woogie niederschlägt. Die „Obélisque Polonaise“ (2010) hingegen ist eine vergrübelte Huldigung an Chopin, die als veritable „Metapolonaise“ melodisches und rhythmisches Material dekonstruiert und dabei Tonrepetitionen zu kaskadenhafter Dynamik bündelt. Gänzlich verdüstert wird es dann im „Grabmal Kundry“ (2013), das „in Memoriam Hans Werner Henze“ Aspekte aus dem dritten „Parsifal“-Akt weiterspinnt. Die Verbindung von lyrischer Intensität und harmonischer Dichte zeichnet alle Klavierstücke dieser Einspielung aus, die von Florian Heinisch sehr markant und dynamisch ausdifferenziert verräumlicht wird. (edition kopernikus)
Dass weniger oft mehr ist, gilt für Musik bekanntlich in ganz besonderem Maße. Aktuelles Beispiel: der Wiener Cellist Lukas Lauermann. Der auch bei diversen Indie-Bands und als Komponist für Film und Theater tätige Cellist weiß nur zu gut, dass eine gute Idee auch in 2–3 Minuten erzählt ist. Aber das hier ist bei aller Unmittelbarkeit kein Pop. Die Werkreihen „Sterile Pression“ und „Words“ erkunden in aphoristischer Weise perkussiv-geräuschhaftes und transformieren Gedicht-Fragmente ins Cello. Den meisten Eindruck jedoch machen die vielstimmigen, im Overdub-Verfahren aufgenommenen Stücke, die teils elegisch, oft kontemplativ „die großen Räume daneben“ (so das siebte Stück) auskundschaften. (col legno)
Einen instruktiven Einblick in die Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik vermittelt die inzwischen deren 15. CD-Produktion mit aktuellen Stücken von Komponisten der mittleren bis älteren Generation. Die Ambivalenz von klanglicher Abstraktion und konkretem Realitätsbezug, die sich schon die „Musique concrète“ auf ihre Fahnen geschrieben hatte, macht auch heute noch den Reiz dieser Klangkonstellationen aus. Rauschhaft und babylonisch in Marc Behrens’ „Cloud“, das sich Material verdankt, das auf Passagierflügen aufgezeichnet wurde, oder mit technoidem Minimalismus in Gerald Fiebigs „Pulsar“. Da knarzt, knistert, vibriert und wummert es düster und gewaltig in Klarenz Barlows hypermathematischen Transformationen von „2 aus 13 Stephan“; da verarbeitet Hans Tutschku mit naturalistischer Eindringlichkeit seine Japan-Erfahrungen zwischen urbaner Chaotik und rituellen Traditionen. (Edition DEGEM)