Diese Live-Aufnahme vom 4. Mai 1955 im Musikverein präsentiert uns nicht eines der kultiviertesten Orchester, jedoch eine Aufführung, in der mit hohem Einsatz und großer identifikatorischer Kraft um die jeweils spezifische Qualität der drei Werke gerungen wurde.
Joseph Keilberth (1908–68) war (wie beispielsweise auch Furtwängler, Schuricht, Kempe oder Schmidt-Isserstedt) als einer der großen deutschen Kapellmeister zu Hause im romantischen bis spätromantischen Repertoire, wie dies heute nirgendwo mehr der Fall ist.
Schumanns Klavierkonzert wird geradezu von einem idealen Gespann dargeboten: Man kann beide, Kempff und Keilberth, als „sachliche Romantiker“ bezeichnen, mit allen Wassern der Tradition gewaschene Musiker auf Verinnerlichung gerichteter deutscher Ausdrucksschule, und so ist der kontinuierliche Zug ihres Musizierens eine dichte, vitale Balance von Expressivität und nüchterner Wachheit für das Strukturelle. In Richard Strauss’ Eulenspiegelei schließlich zieht Keilberth alle Register reich abgestufter Orchesterdramaturgie, ohne in Gefahr zu geraten, eine oberflächliche Posse zu liefern. Er ist nie ein typischer Pultvirtuose gewesen, jedoch immer ein Garant sinnfällig entfalteter Formprozesse, ein Musiker, der in den komplexen Geflechten kontrapunktischer Elaboration zu Hause war, der suggestiv die Nuancierung und die übergeordneten Bögen der harmonischen Artikulation zu übertragen vermochte. Dieser tontechnisch recht rauhe Konzertmitschnitt dokumentiert denn auch ein Fest beseelter deutscher Tradition, von dem wir Heutigen viel profitieren können.