Musik von und mit: Maria de Alvear, Ute Pruggmayer-Philipp, Heinz Holliger, Moritz Ernst, Conlon Nancarrow, René Wohlhauser und Enjott Schneider
Die einstündige Multimedia-Performance „Sexo Puro“ von Maria de Alvear wurde bei der Uraufführung 1998 in Donaueschingen mit Buhrufen quittiert. Was verständlich ist, ersetzt die Komponistin doch den szenenkonformen Materialdiskurs durch das Zelebrieren eines magisch-beschwörenden Klangs, in dessen weich ineinanderfließenden Linien sich der Klang von drei weiblichen Stimmen mit Blechbläsern und Schlagzeug farbenreich mischt. Das sanft-eindringliche Wogen suggeriert archetypische Vorstellungen vom Weiblichen als Quelle allen Lebens. Mit den Dia-Projektionen und dem inszenierten Klangraum wäre eine Videoaufzeichnung wohl die ideale Dokumentationsform gewesen. Die starken emotionalen Wellen des eigenwilligen Kollektivgesangs teilen sich aber auch bildlos mit. (world-edition.com)
Ein Augustinus-Oratorium zu schreiben, ist nicht jedermanns Sache. Vor fünfzig Jahren machte Klaus Huber daraus eine schroffe, bekenntnishafte Vision, heute erzählt Enjott Schneider das wilde Leben des Nordafrikaners mit einer unverstellt eklektizistischen Musik. Das ist kein Nachteil, denn mit den gewählten Mitteln geht er äußerst einfallsreich um. Die Gesangspartien sind nah an der Sprache und ausdrucksstark komponiert, das Orchester trägt mit raffinierten Farben und kraftvollen Gesten zum Gelingen dieses musikalischen Porträts wesentlich bei. In den drei Vokalsolisten, dem Münchener Bach-Chor und dem Münchener Bach-Orchester unter Hansjörg Albrecht findet das Werk optimale Interpreten. Zweites Stück auf der CD ist „Höchsten Heiles Wunder“, eine Wagner-Paraphrase für Streichorchester und Tonzuspielung. (ambiente-audio.de)
Wie ein Wirbelwind rast Moritz Ernst bei „Manía“ von René Wohlhauser über die Tasten, ganz wie es sich bei einem Stück dieses Namens gehört. Die trockene Schärfe des Anschlags und das Tempo erinnern an die Stücke von Conlon Nancarrow. Für Wohlhausers nüchterne Kompositionsweise ist der abstrakte Klavierklang das passende Medium und Ernst der richtige Interpret. Die Energieschübe auf dieser Klavier-CD versieht er mit gehörigem Dampf und gewinnt dem Instrument ein breites Spektrum an Farben ab, sei es bei den nachklingenden Figuren der frühen Stücke, beim Spiel im Inneren des Klaviers oder in den winselnden Klängen von „Naschra“ für Sechzehntel- und Dritteltonklavier. Die Gegenüberstellung der beiden Versionen mit der „dekomprimierten“ Fassung für normales Klavier ist erhellend. (NEOS)
Wie einschneidend die Aneignung mittelalterlicher Musik durch einen heutigen Komponisten sein kann, zeigen die Machaut-Transkriptionen von Heinz Holliger. Zwei Balladen werden in feinste Flageoletts zerstäubt, isorhythmische Strukturen sukzessive zersetzt. Dem Original folgt zunächst stets die Bearbeitung, und gegen Schluss verselbständigt sich der Eingriff des Komponisten zum eigenständigen, ausgedehnten Werk. In der abschließenden „Complainte“ vereinigen sich die Stimmen des Hilliard-Ensembles mit den drei Violen zu einem melancholischen Lamento. (ECM)
Auch Ute Pruggmayer-Philipp greift auf bestehende kompositorische Idiome zurück, doch tut sie das in Form von Klavierimprovisationen. Ihre pianistischen Annäherungen an Komponisten wie Ravel, Messiaen, Schumann oder Bill Evans nennt sie zutreffend „Impressionen“, „minimalistische Assoziationen“ oder „Chaotische Dialoge“. Sie zeigt darin nicht nur ein feines Gespür für die musiksprachlichen Eigenheiten der Komponisten, sondern auch viel eigenschöpferische Fantasie. Eine animierende Hörerfahrung. (Querstand, vkjk.de)