Musik von: Jamiroquai, Deep Purple, Seiler und Speer, John Mayer und Kendrick Lamar.
Grandios. Mehr kann man zu Jamiroquai nicht sagen. Auch zum neuen Album „Automaton“ nicht. Lässig, locker, leger mäht sich Jamiroquai durch sämtliche Zitate dieser Musikwelt, frickelt hier Sounds rein, bastelt dort Sounds raus. Für die Hüftsteifen unter uns ist das freilich kein Album, das man nebenbei hören kann. Aufstehen, tanzen, die Neunziger und die Achtziger wiederbeleben. Das ist hier angesagt. Jamiroquai ist und bleibt ein Genie. Natürlich. Man muss diesen Overload an Gefühlen, Emotionen und Sounds an diesem Album erst lieben lernen. Man muss auch diese Hippeligkeit abkönnen und seine alten, eingestaubten Tonstrukturen im Hirn über Bord werfen. Aber dann ist das Ergebnis ein großes (Virgin).
Ja mei, Deep Purple und ihr neues Album „Infinite“. Bestechender Sound: dicht und gleichzeitig transparent. Songs, die das Rad nicht neu erfinden. Warum auch? Allerdings an manchen Ecken und Kanten etwas komplizierte Songstrukturen. Ab und an ein Riff zu viel, ein verkünstelter Übergang und ein vermeintlicher Spannungsbogen zu viel. Dass die Jungs das können, steht außer Frage. Und bevor man überhaupt ein Diskussion zulässt, welche Deep Purple-Alben denn hiermit verglichen werden können oder wer genau und wie am Songwriting beteiligt gewesen sein könnte, sollte man schlicht festhalten: Insgesamt gibt es das zu hören, was der gemeine Deep-Purple-Fan auch verdient hat. Satte Rockmusik, sicher mit kleinen Ausbeulungen, denen ein roter Faden fehlt, aber irgendwie dann doch einprägsam und den Fuß immer auf dem Gaspedal wie bei „Time for Bedlam“, „Birds of Prey“ oder „Roadhouse Blues“ (earMUSIC).
Nach dem Wahnsinnserfolg der Single beziehungsweise des Albums von „Ham kummst“ legen Seiler und Speer mit „Und weida?“ das nächste Album vor oder auf. Die Frage, die alle nach dem Hype unter den Nägeln brennt, nehmen Seiler und Speer sinnvollerweise als Albumtitel und beantworten sie überraschenderweise sehr gekonnt musikalisch. Obwohl das Wort „Weiterentwicklung“ ja oft ein Todesurteil für das zweite Album von Künstlern ist, gehen Seiler und Speer tatsächlich einen Schritt weiter. Musikalisch seriös machen sie das, was sie können. Schöne Melodien mit bitterernsten wie bitterbösen Texten kreuzen. Nichts ist hier abgegriffen, ausgetrampelt oder ausgelutscht. Selbst „A letztes Schluckerl“ wirkt in seiner schwülstigen Dramaturgie und seinem oberflächlichen Pomp am Ende ziemlich überzeugend und geradlinig. Seiler und Speer sind nicht greifbar. Das muss man einfach nur geil finden (Jokebrothers Records).
Ein etwas ratlos machendes Album veröffentlicht John Mayer, schon einer der coolsten Gitarristen dieser Welt, mit „The Search for Everything“. Er verliert sich über die gesamte Distanz gesehen ein wenig in seiner Suche nach Allem. Sein Gitarrenspiel, das zwar nie im Vordergrund stand, dennoch oft die Richtung der Songs vorgab, bleibt irgendwo zwischen den dahin schlummernden Popakzenten hängen. Selbst seine klare Popausrichtung kommt auf „The Search for Everything“ nicht allzu deutlich durch. Man sucht eher den Widerstand auf diesem Album, denn dass John Mayer Popmusik mit Lackpolitur beherrscht, ist jedem klar. Doch irgendwie wünscht man sich auch einmal vergilbte, roh behandelte Flächen, an denen selbst gut bezahlte Restauratoren nichts mehr ändern können. Ein Album, das relativ verschmust daher kommt, keine Reibungsflächen bietet und letztendlich unentschlossen bleibt (Columbia).
Kendrick Lamar, einer der vielseitigsten und sicher talentiertesten Rapper kommt auf „Damn“ ziemlich verspielt rüber. Was der Zielstrebigkeit seiner Songs keinen Abbruch tut. Das Angenehme bei Kendrick Lamar war und ist stets, dass er den oft und viel zitierten Flow besitzt. Bedeutet hier: keine aggressiven, wild zusammen geschusterten Raps mit überzogenen Beats, sondern Wortattacken mit Hirn und Verstand. Irgendwie laut, aber verständlich. Kendrick Lamar hat stets eine Linie, eine Idee, der er folgt. Das wird selbst dem Rockfan klar. Und so kann das Album tatsächlich in jedem Haushalt (Textwarnung: über 18 Jahre Durchschnittsalter natürlich) im Hintergrund laufen und Mama und Papa zu coolen Socken machen, ohne sich bei den Kids anzubiedern (Universal Music).