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Um Europa herum

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Das Jazzgeschehen in Europa hat durchaus länderspezifische Prägungen, wie die selektive Betrachtung einiger Novitäten zeigt. Diskografisch wird die skandinavische Szene vom audiophilen Label Opus 3 gepflegt, das mit dem „40th Anniversary Celebration Album“ außer Blues und Tony Sheridan-Adaptionen auch eine intime „Round Midnight“-Version des Johan Dielemans Trio, die samtene Stimme der Vokalistin Yasmina in „My Foolish Heart“ und die vitale Oldtime Kustbandet vorstellt.

In den Niederlanden macht gerade das Quartett Tommy Moustache Furore, denn dessen „Ego“ (Berthold) geriert sich in rabiatem, ja despektierlichen Rockjazz-Stil mit jähen Rhythmuswechseln, krachenden Mikro-Riffs schriller Gitarrensounds und manchmal überraschend lyrischer Saxmelodik, unkategorisierbar!

Dagegen bringt ein Schwenk nach Süden auf eine Tour „Round About Italy“ (HGBS Blue) auf die Cool-Jazzspur populärer Schlager wie „Volare“, die Gitarrist Lorenzo Petrocca solistisch anführt, Pianist William Lecomte arrangiert hat und von Jens Loh am Bass sowie Schlagzeuger Antoine Fillon in reizvoll swingender Umgebung präsentiert werden. Ein paar Kilometer über die Adria, und schon ist man bei Gitarrist Csaba Toth Bagi und seiner „Balkan Union“ (Enja, die in variabler Besetzung typisch verschnörkelte Folk-Themen mit Rockenergie aufgeheizt hat, ohne ekstatische Improvisationen wie etwa die schnellen Skalen bei „Srpske Igre“ oder das verschleierte Klarinetten-Solo im turbulenten „Cs’oro“ zu vergessen.

Solch mediterranes Temperament ist dem Haz’art Trio fern, obwohl Oud-Spieler Fadhel Boubaker aus Tunesien sowie aus Deutschland Bassist Jonathan Sell und aus der Schweiz Perkussionist Dominik Fürstberger auf „Infinite Chase“ (The Muse Alliance) sind. Vielmehr sucht dieses interkulturelle Trio disparate Klangsysteme in „Whispered Words“ zum Einklang zu bringen, indem dezenter Swing die von nicht-temperierten Maqams bestimmten, oft Unisono gezupften Melodien improvisatorisch ausgeweitet und durch Live-Electronics besondere atmosphärische Dimensionen erhalten. Ihnen gelingen subtile Konversationen, die ihnen gestatten, auf neues musikalisches Terrain für den Jazz vorzudringen.

Auf andere Weise überwindet der Pianist und Komponist Tigran Hamasyan aus Armenien als „An Ancient Observer“ (Nonesuch) Begrenzungen der Musik seiner Herkunft. Einfache Songs zergliedert er sukzessive durch variatives Overdubbing der Phrasen oder „New Baroque“ im armenischen Idiom. Diese zumeist analytisch-kontemplativen Diskurse öffnen die Originale für eine tranzendente Rezeption des überlieferten Potenzials für westliche Ohren. Der Jazz-Radius erstreckt sich mit der Musik von Tigran Hamasyan weit nach Osten und öffnet Perspektiven für die Zukunft eines Repertoires um Europa herum. 

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